Warum ich als «Düütscher» auch einen 1. August will

Ralph Denzel | 
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Ein Feiertag wie den 1. August gibt es in Deutschland nicht.

Der Nationalfeiertag der Schweiz erinnert mich als Deutschen vor allem an eines: Ich vermisse so einen Nationalfeiertag schmerzlich in Deutschland.

Schweizerflaggen allerorten, Feuerwerk und ein Feiertag, der einfach nur genau das ist: Ein Tag zum Feiern. Der 1. August in der Schweiz ist für mich als Deutschen in vielerlei Hinsicht speziell. Nicht nur, dass ich ihn nicht von der «anderen Seite», also von Deutschland aus, erlebe, sondern auch, weil er mich daran erinnert, dass dies bei uns im «Düütsche» nicht möglich wäre. Wir haben natürlich den 3. Oktober, aber ausser an staatlichen Gebäuden würde man dort wohl kaum eine Deutsche Flagge wehen sehen, weil wir den Nationalfeiertag unseres Landes begehen. Der 3. Oktober ist in Deutschland «nur» ein Tag, an dem man nicht arbeiten muss, mit einem etwas anderen Fernsehprogramm. Natürlich haben auch wir Festakte, aber diese sind eher Randnotizen, die am Abend in den Nachrichten mit ein paar Bildern abgehandelt werden.

Ein wirkliches Feiern gibt es nicht.

Das ist schade und zeigt, wie glücklich die Schweiz sich schätzen kann, dass sie den 1. August so begehen kann, wie sie es tut. Vielleicht liegt es an der Deutschen Vergangenheit und dem politischen Klima der Gegenwart, aber wer, auch am 3. Oktober, eine Deutsche Flagge in seinem Vorgarten wehen lässt, muss oft damit rechnen, dass er schief angeschaut wird. Alles, was in die Richtung Patriotismus geht, hat in Deutschland gleich einen faden Beigeschmack. Wie wäre es dann erst, wenn man eine ganzen Tag seine Nation feiert?

Dabei sollte doch gerade hier ein integrativer Gedanke im Vordergrund stehen: Wir feiern, was wir erreicht haben, was wir sind. Das schliesst niemanden aus, sondern alle mit ein, denn jeder der in diesem Land lebt und sich einbringt, hat auch zu dem Bild und dem Stand des eigenen Landes beigetragen. Das schliesst den Spitzenpolitiker ebenso ein, wie den Müllmann, der morgens die Tonnen leert. Klar, ist nicht alles perfekt in unserem Land, aber es muss auch Tage geben, an denen man Fünfe grade sein lässt und sich einfach mal gute Laune haben kann und sich auch daran erinnert, was denn eigentlich gut ist bei uns.

Ist zum Beispiel alles perfekt in der Schweiz? Nein, ebenso wenig wie in Deutschland. Aber das trübt die Stimmung am 1. August nicht oder sorgt dafür, dass weniger Schweizerkreuze in Vorgarten stehen und bei den Feiern geschwenkt werden. Vor allem in Deutschland sollte man sich doch gewahr sein: Der 3. Oktober erinnert auch an den Tag, an dem ein Land wiedervereinigt wurde. Ohne Gewalt, ohne einen einzigen Schuss. Nur durch den puren Willen und dem Wissen: Wir sind eins. Und darum geht es doch letztlich an Nationalfeiertagen: Das Gefühl, eine Nation zu sein – abseits von Religion, Politik und privater Ansicht. Die eigene Heimat wird zum gemeinsamen Nenner. An diesem Tag wird etwas Grösseres gefeiert, das allesamt vereint. Das Gefühl haben die Schweizer wohl, zumindest scheint es mir so - Den Deutschen geht das gänzlich ab.

In Deutschland wird darüber diskutiert, was denn jetzt noch deutsch ist und was nicht, ein Grossteil der Bevölkerung ist schockiert über das Erstarken der AfD, während bei Nicht-AfD-Wählern sofort ein Unbehagen ausgelöst wird, sobald irgendwas mit dem Ausdruck «Nation» und «Deutsch» zu tun hat. Das zeigt: Deutschland ist nicht bereit, einfach über die Grenzen hinwegzuschauen und sich daran zu erinnern, was das Land verbindet. Darum wird wohl auch weiterhin der 3. Oktober einfach nur einen Feiertag sein, an dem das TV-Programm anders ist und man nicht zur Arbeit erscheinen muss.

Nicht so wie in der Schweiz. Dort gelingt Vielerorts das, was ich mir so wünsche: Dass man einfach mal zusammen feiern kann. Über die Grenzen der Politik, der Religion und hinaus. Eine Feier der eigenen Heimat. Patriotismus ja, aber keiner würde auf die Idee kommen, diesen negativ zu sehen. Er ist hier einladend. Schaut her, was wir erreicht haben. Und: Wer in der Schweiz mitfeiern will, ist herzlich willkommen und kann ebenso eine kleines Schweizerfähnchen schwenken, wenn über dem Rheinfall der Goldregen beim Feuerwerk niedergeht. Das nutzen auch wir Deutschen, denn: Seit Jahren ist es in Jestetten und dem umliegenden Gemeinden Tradition, dass am 31. Juli Scharen von Bewohnern in Richtung Nohl pilgern, um dort, zusammen mit den Eidgenossen, das Feuerwerk zu betrachten. Vielleicht auch einfach aus der Sehnsucht heraus, ebenfalls einmal einen richtigen Nationalfeiertag zu erleben.

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