Digitalisierung im Unterricht: Es gibt noch einiges zu tun

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Kreativität ist gefragt: Wo Ausrüstung fehlt, kann der Produktion von Erklärvideos mit Stuhl und Klebeband nachgeholfen werden. Bild: PD

Lehrpersonen haben für einmal selbst die Schulbank ­gedrückt. Ziel des Weiterbildungstages: den Lehrkörper fit machen für die Herausforderungen der Digitalisierung.

Von Silvan Baumann

Die Stimmung zeugte noch von Schulferien, als die rund vierzig Lehrerinnen und Lehrer sich ein­fanden, um an der Pädagogischen Hochschule Schaffhausen (PHSH) ihr Können im Bereich Digitalisierung zu erweitern. Der Lehrplan 21, welcher 2019 in den Klassenzimmern Einzug halten wird, bringt einiges an Veränderung mit sich, auch im Bereich Digitalisierung. Hier soll das Modul Medien und Informatik, kurz MIA, den Schülern neu Medienkompetenz vermitteln. Ralph Kugler, Co-Leiter des Instituts für ICT und Medien an der Pädagogischen Hochschule St. Gallen (PHSG), machte in seinem ­Referat zum Start der Veranstaltung deutlich, dass es in Zukunft eben nicht reiche, eine Wandtafel durch ein Smartboard zu ersetzen. Der Lehrplan 21 sehe vor, dass der Informatikunterricht neu in allen Bereichen inte­griert werde, und das erfordere Kreativität.

Ein Entwicklungsschub ist nötig

Einige Teilnehmer äusserten sich danach eher kritisch. Zu viele Fragen seien noch offen. Zum Beispiel die Frage nach der Infrastruktur: Viele Schulen seien ungenügend mit Informatikmitteln ausgerüstet. Gerda Buhl, Prorektorin Weiterbildung und Dienstleistungen an der PHSH, teilt diese Bedenken. Im ­Bereich Infrastruktur brauche es noch einen ziemlichen Entwicklungsschub. Man sei aktuell dabei, abzuklären, was es brauche, um die neuen Fächer sinnvoll unterrichten zu können. Die Lehrerinnen und Lehrer selbst seien ebenfalls noch nicht so weit, so Buhl weiter. Die Pädagogische Hochschule arbeite derweil jedoch an einem Weiterbildungsprogramm, welches die Lehrkräfte im Kanton bis 2019 auf den Lehrplan 21 vorbereiten solle. Jetzt ginge es vorerst darum, zu zeigen, wie die MIA-Module in den Unterricht integriert werden könnten, meint Buhl weiter.

Wie das genau aussehen könnte, zeigte Marcel Jent von der PHSG im Workshop «Erklärvideos erstellen», welcher am Weiterbildungstag angeboten wurde. Er relativierte die Probleme, ­welche die Lehrerinnen und Lehrer im Vorfeld ­umtrieben. Es sei weniger eine Frage der Infrastruktur als des Know-hows. Denn bei ihm würden nicht die Lehrer die Erklärvideos produzieren, sondern die Schüler selbst. So müssten sich die Kinder intensiv mit dem vorgegebenen Thema befassen und sich im Vorfeld ­bereits Gedanken über den Inhalt des Videos machen.

Gedreht wird bei Jent in einem Zug. Das sei eine zusätzliche Herausforderung und ermögliche es, mit nur wenigen Aufnahmegeräten pro Klasse auszukommen. Fehlen moderne Stative für Tablets und Smartphones, werden diese eben kurzerhand auf einen Stuhl geklebt.

Ob die Zeit reicht, wird sich zeigen

Die Kurse zeigten Wirkung, und einige Teilnehmer blickten im Anschluss nicht mehr ganz so skeptische in die Zukunft. Dass es jedoch noch Zeit braucht, ­darüber sind sich alle einig. Ob sie reichen wird bis zur Einführung des Lehr­plans 21, wird sich zeigen.

Und wie stehen die Lehrer zu dem neuen Modul?

Ralph Züllig, Wilchingen

«Ich konnte einige gute Inputs mitnehmen. Jetzt braucht es einfach Zeit, diese umzusetzen. Mein Unterricht ist noch nicht so digital, wie er sein sollte. Ich mache mir aber keinen Druck, diese Entwicklung kommt, und wir werden bereit sein, wenn es losgeht.»

Vanessa Wildberger, Stein am Rhein

«Ich sehe das Ganze positiv. Gerade gegenüber den neuen Lehrmitteln, die den Schülern erlauben, selbständiger zu lernen, bin ich offen. Leider haben wir nicht allzu viele verfügbare Geräte bei uns in der Schule, um mit den Kindern intensiver zu arbeiten.»

Ursula Ambühl, Schaffhausen

«Ich stehe mit meinem Unterricht noch ganz am Anfang dieser Entwicklung. Die Schüler sollen die Dinge erleben können und nicht einfach in einem Film sehen. Aber ich weiss, die Digitalisierung ist die Zukunft der Schule und der Welt, und deshalb mache ich mich nun auf den Weg.»

«In einem Pool ohne Wasser lernt niemand schwimmen»

Mit dem Lehrplan 21 werden Informations- und Kommunikations­technologien (ICT) über alle Fächer Einzug ­halten. Viele machen sich ­hinsichtlich dieser Entwicklung ­Sorgen um die Schüler. Haben Sie als erfahrene Lehrperson Angst, wenn Sie sehen, womit unsere Schüler in Zukunft konfrontiert sein werden?

Ralph Kugler: Ich selbst bin kein ängstlicher Mensch und eher neophil. Ich freue mich auf das, was kommt, kann mir aber sehr gut vorstellen, dass nicht alle gleich begeistert sein werden. Gerade für ältere Menschen ist dieser Schritt der Digitalisierung etwas grös­ser. Daher gehe ich davon aus, dass die Geschwindigkeit, mit der Veränderungen heutzutage voranschreiten, doch den einen oder anderen überfordert. Deshalb gibt es ja heute auch diese ­Digital Detox Camps, in denen Leute offline unterwegs sind, um sich zu erholen. Dieses Konzept finde ich grundsätzlich spannend. Wenn es jedoch zu einer Art Eskapismus führt, indem man sich der Entwicklung total entzieht, dann wird es meiner Meinung nach gefährlich. Die Realität sieht nun einmal anders aus.

Wenn doch nun aber bereits Erwachsene vor ihrem digitalen Leben in ­Offline-Camps flüchten, muten wir dann den Schülerinnen und Schülern nicht zu viel zu?

Das ist ein Argument, das ­immer wieder angeführt wird, indem man fordert, dass die Schule an sich ein geschützter Rahmen bleiben soll. Ich halte das für eine falsche Herangehensweise. Die Digitalisierung unserer Welt bleibt eine Realität und verschwindet nicht einfach, nur weil wir sie in den Schulen nicht behandeln. Die Schülerinnen und Schüler leben sie dann einfach zu Hause aus. Dazu benötigen sie einen möglichst souve­ränen digitalen Umgang. Diesen Umgang werden sie sich jedoch nicht aneignen, indem man im Unterricht die Digitalisierung einfach ignoriert. Das wäre vergleichbar mit einem Pool ohne Wasser, in dem man schwimmen lernen soll.

Ralph Kugler, Co-Leiter Institut ICT & Medien Pädagogische Hochschule St. Gallen

Schülerinnen und Schüler beschäftigen sich doch aber jetzt schon Tag und Nacht sehr gekonnt mit digitalen ­Medien.

Es ist falsch zu glauben, nur weil Jugendliche sich heute in der Freizeit mit digitalen Medien beschäftigten, hiesse das, sie könnten damit medienkompetent umgehen. Eine Whats­App-Gruppe eröffnen und ein bisschen miteinander chatten ist noch kein souveräner Umgang mit Medien.

Diese digitalisierte Welt gibt es jedoch nicht erst seit gestern. Wieso wird das Thema erst jetzt behandelt?

Ehrlich gesagt, haben Leute, welche sich mit der Digitalisierung befasst haben, immer wieder betont, dass hier etwas passiert und dass die Schulen diese Thematik aufnehmen müssten. In den ersten Entwürfen des Lehrplans 21 war Informatikunterricht dann jedoch nur zweitrangig, und mich erstaunt, weshalb man sich erst nach ­einigen Protesten stärker damit befasst hat. Zumal man ja gesehen hat, wie sich die Gesellschaft verändert.

Wieso dieses Zögern?

In den 80er-Jahren hat man in den Schulen eher auf klassische Informatikgrundlagen gesetzt, weil man zum Beispiel einen Commodore C64 nicht ohne grundlegendes Know-how bedienen konnte. Als jedoch die grafisch orientierte Bedienung aufkam, konnte man einfach ein paar Buttons drücken, und der Computer hat getan, was man wollte. Diese Entwicklung hat zu der Meinung geführt, man müsse Informatik nicht mehr verstehen, nur noch anwenden. Das war eine Fehlinterpretation, die mitunter zum heutigen Stand führte. Schaut man ­jedoch, was man heute real können muss, um diese Welt zu verstehen, ist es umso notwendiger, auch die Grundkonzepte der Infor­matik zu verstehen. Wie funktionieren diese Algorithmen, und wie kann ich diese mitgestalten?

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