«Nützt es nichts, schadet es nichts» ist kein Grund

Alexa Scherrer | 
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Symbolbild: Key

Es ist eine Ausgangslage, von der die meisten Initianten einer Volksabstimmung noch nicht mal zu träumen wagen: Zur Vorlage der Ernährungssicherheit, über die am 24. September ­abgestimmt wird, ist kein Nein-­Komitee in Sicht.

Es ist eine Ausgangslage, von der die meisten Initianten einer Volksabstimmung noch nicht mal zu träumen wagen: Zur Vorlage der Ernährungssicherheit, über die am 24. September ­abgestimmt wird, ist kein Nein-­Komitee in Sicht. Es geht darum, die ­«Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln» in der Verfassung zu verankern – wer kann da schon dagegen sein? Nur: Abgesehen von einem politisch geschickten Schachzug scheint diese Vorlage kaum einen Nutzen zu haben. Denn die Kernelemente sind bereits heute in der Verfassung festgeschrieben. Zudem seien ­weder Gesetzesänderungen noch Erhöhungen oder Verringerung von Subventionen geplant. Die Vorlage würde vielmehr den ­bereits eingeschlagenen Weg der Agrarpolitik unterstreichen. Das heisst: Bei einem Ja muss sich eigentlich nichts ändern – bei einem Nein ­genauso wenig.

Was also steckt hinter der Vorlage? Sie ist der bundesrätliche Gegenvorschlag für die ursprünglich eingereichte Initiative des Bauernverbands, der vor allem die inländische Produktion stärken wollte. Im Gegenvorschlag wird unter anderem auch auf «Import» gesetzt, auf «Markt» und «grenzüberschreitende Handelsbeziehungen». Der Bauernverband zog seine Initiative, die je nach Auslegung auch als Forderung nach mehr ­Protektionismus oder mehr Subventionen hätte interpretiert werden können, zurück. Zudem nimmt die jetzige Vorlage unbestrittene Elemente aus zwei weiteren hängigen Ernährungs-Initiativen auf – der Fairfood-Initiative der Grünen und derjeniger für Ernährungssouveränität der Welschen Bauerngewerkschaft Uniterre. Beide lehnt der Bundesrat ab. Mit seinem Gegenvorschlag hat er sich ein ­Argumentarium gebastelt, um seine Beweggründe zu untermauern.

Nicht zuletzt lässt die Vorlage viel Raum für Interpretation offen, so wenig konkret sie formuliert ist, so viel kann hineingelesen werden. Das zeigt sich bereits im Kampf um die Deutungshoheit vor der Abstimmung: Während das eine Pro-Komitee unter der Schirmherrschaft des Bauernverbands auf die Stärkung des fairen Handels setzt – denn die Vorlage verlangt, dass Handels­beziehungen zur «nachhaltigen Entwicklung» beitragen –, verweist das zweite Ja-Komitee rund um die GLP und die Agrarallianz auf den Freihandel und die grenzüberschreitende Offenheit.

Der Gegenentwurf zur zurückgezogenen Volksinitiative «Für ­Ernährungssicherheit» segelt im Windschatten der AHV und ­gerät auch wegen seiner durchaus wohlklingenden Absichten fast in Vergessenheit. Doch welche Ziele durch ein Ja verfolgt werden, bleibt schleierhaft. So etwas in die Ver­fassung zu schreiben, ist absurd. «Nützt es nichts, so schadet es nichts» ist kein triftiger Grund, ­etwas gesetzlich zu verankern. Die Hürde für eine Verfassungsänderung sollte schon etwas höher sein, als dass man am Schluss einfach sagt: Es ändert sich nichts. Zudem muss man nichts in die Verfassung schreiben, was dort schon festgehalten ist. Weil keine Absichten ­definiert sind, bleiben die Ausgänge nach einem Ja offen – bei einem Nein bleibt die Verfassung einfach, wie sie ist. Daher empfehlen die SN ein Nein zur Vorlage.

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