Glühwein auf dem Froni: Gemütlicher Treffpunkt oder unverständlicher Hype?

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Der Glühweinstand auf dem Fronwagplatz ist beliebt. Aber macht es wirklich Spass, sich in der Kälte einen Schwips mit heissem Wein zu holen?

Pro

Von Elena Stojkova, Redaktion Stadt

Wenn es draussen kalt, dunkel und nass ist und trotzdem ganz viele Schaffhauserinnen und Schaffhauser nach draussen gehen wollen, dann ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass es sie zum Fronwagplatz zieht. Zu diesem ganz bestimmten hübschen Holzhäuschen: zum Glühweinstand. Ganz egal, ob Samstag, Donnerstag oder ungeliebter Montag: Auf dem Froni ist fast täglich eine Traube von Menschen anzutreffen, denn hier findet momentan der soziale Anlass statt. Und zwar ganze zwei Monate lang. Einfach daran vorbeigehen gehört sich irgendwie nicht. Ein «Hoi» hier, ein «Wie gehts?» da. Ein Gesicht, das man schon lange nicht mehr gesehen hat. Ein freund­liches Lächeln, ein gutes Gespräch. Und das alles bei einem köstlichen Becher flüssiger Freude. Ob rot, weiss, mit Schuss oder nicht alkoholisch: Man kann sich kaum entscheiden, ob einem das Warme, das Zimtige oder das Orangige am besten gefällt. Der Glühweinstand sorgt bereits jetzt für ein bisschen Weihnachten in der Kehle. Das schlechte Gewissen hat hier, bei diesem kollektiven Genuss, keinen Platz. Ein Glas Rotwein am Tag soll bekanntlich gesund sein, also ist er warm sicher auch nicht schädlich. Man denke auch an die anderen Inhaltsstoffe – Zimt, Zitrusfrüchte, Nelken, Muskatnuss. Klingt doch ­alles auch nicht ungesund. Und selbst wenn am bösen Gerücht, der Glühwein sei eine Kalorienbombe, etwas dran ist: Gönnen wir ihn uns trotzdem. Der Glühweinstand gibt einem das Gefühl, es gäbe auf dem Froni ­täglich was zu feiern. Und er gibt uns einen guten Grund, bei grusigem Wetter an die frische Luft zu gehen, sogar voller Motivation. Ein Glühwein auf diesem Platz im Herzen der Altstadt ist das perfekte Pendant zum kühlen Feierabendbier im Sommer. Die kalten Füsse werden plötzlich Nebensache, und unter dem Schirm und eingepackt im dicken Schal ist es auf einmal auch ganz gemütlich. In der Hand der heisse Becher, der nicht nur die Hände, sondern auch das Innere wärmt. Umgeben von Gleichgesinnten. Hier ist es völlig in Ordnung, wenn das erste Becherchen heisser Wein ­bereits Anfang Woche über die Theke geht. Er stärkt nicht nur soziale ­Kontakte, nein, er stärkt auch unsere Liebe zum Schaffhauser Wein. Und zu Schaffhausen allgemein.

Contra

Von Dario Muffler, Redaktion Region

Kalte Füsse, abgefrorene ­Finger, ein von Schnee- oder Regenfall durchnässter ­Mantel. Hinzu kommt ein beissend eisiger Wind, der einem um die Ohren fegt und der Gestank von Zigarettenrauch, den man erdulden muss. Sind das die Rahmenbedingungen für ein gemütliches Beisammensein in der Adventszeit? Mir graut es vor diesen Stimmungskillern, weshalb ich die Massenansammlungen um den Glühweinstand auf dem Fronwagplatz in Schaffhausen meide.

Man kann die Weihnachtszeit aber gleichwohl dazu nutzen, sich mit Freunden, Bekannten, Arbeitskollegen und Geschäftspartnern zu ­treffen. Ich bevorzuge dafür einen Ort, an dem es wohlig warm ist. In einer Beiz oder in einer Hütte hat man auch eine ordentliche Sanitärinfrastruktur und muss nicht auf ein Toitoi-Klo oder in ein umliegendes ­Geschäft, was diesem einen Mehraufwand beim Reinigen der Toilettenanlagen beschert.

Wer schon einmal einen Glühweinstand besucht hat, der weiss: Die Wein-Gewürz-Mischung im Styroporbecher ist zu Beginn viel zu heiss, ­sodass man sich die Zunge verbrennt. Irgendwann dann schwimmt nur noch ein kalter, ungeniessbarer ­Sirup im Becher. Und sprechen wir erst gar nicht davon, wie klebrig die Finger sind, wenn der Glühwein über den Rand des Bechers läuft.

Doch es muss nicht einmal ein Missgeschick eines Mitarbeiters gewesen sein, wenn das Getränk über den ­Becherrand samt Hand läuft. Wenn so viele Leute so eng beieinander­stehen, kommt es unweigerlich zu ungewolltem Körperkontakt. Ein Ellenbogen, eine Schulter – und Schwupp.

Eine belebte Altstadt ist in unser ­aller Interesse. Eine Massenveranstaltung wie auf dem Fronwagplatz, wo kaum noch ein Durchkommen ist und sich mit fortgeschrittener Stunde der Alkoholpegel einiger auf die Stimmung auswirkt, passt meiner Meinung nach aber nicht zur ­Adventszeit. Auf diese Weise wird der abendliche Umtrunk zu so etwas wie einem gesellschaftlich geduldeten Botellón. Die schöne Winter­atmosphäre leidet stark darunter. Wieso also bewegen sich die Glühweintrinker nicht einfach ein paar Schritte weg vom Ausschank? Sich die Füsse in den Bauch stehen müssen sie so oder so.

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