Ist der Wolf im Weinland angekommen?

Mark Gasser | 
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Ein Jungwolf auf Nahrungssuche könnte auf einer Weide bei Andelfingen am Donnerstag ein Schaf gerissen haben. Auch vor besiedeltem Gebiet schreckt der Wolf nicht zurück, sofern keine Menschen in der Nähe sind. Bild: zvg/CHWOLF

Bissspuren an einem gerissenen Schaf in Andelfingen deuten auf einen Jungwolf hin. Ähnliche Bisse wurden aus dem Kanton Thurgau ­gemeldet. Nutztierhalter sind gewarnt.

Die Bissspuren bei einem gerissenen Schaf deuten auf einen Wolfsriss hin: Am Donnerstag wurde auf einer Weide bei Andelfingen ein Schaf von einem Tier erlegt, welches – so viel steht fest – kein Fuchs oder Luchs war. Die Fischerei- und Jagdverwaltung des Kantons Zürich wertet derzeit die Spuren mithilfe genetischer Proben in einem Labor in Lausanne aus. Was den Verdacht auch nährt: Bereits in der Nacht vom 1. auf den 2. März waren um Uesslingen TG wenige Kilometer von Ossingen und Stammheim entfernt ein weiteres Schaf gerissen und drei verletzt worden. Mehrere Schafe waren davor vom 26. bis 28. Februar in Hohentannen TG von einem Tier getötet worden.

Bund (zu 80 Prozent) und Kanton (20 Prozent) werden zwar den Schafhalter in Andelfingen entschädigen, falls sich der Verdacht eines Wolfsrisses bestätigt. Dennoch sind die Nutztierhalter in der Region gewarnt. Die kantonale Zürcher Fischerei- und Jagdverwaltung rät ihnen, die Einzäunungen der Tiere zu überprüfen. Den Herdenschutz optimiert haben auch Schafhalter im Calandagebiet, wo eine Wolfsfamilie nachweislich lebt. In den Alpengebieten des Wolfsterritoriums ist bei geschützten Herden seit 2013 kein Schaf mehr gerissen worden. Dennoch überrascht der jüngste Vorfall Christina Steiner, Präsidentin des Vereins CHWOLF aus Einsiedeln, der sich der Aufklärung der Wolfssituation widmet, nicht: «Ein ungeschütztes Schaf zu reissen, ist viel einfacher, als ein Hirsch oder Reh zu jagen.» Der Herdenschutz sei aufwendig, aber effektiv: «Eine sehr gute Wirkung weisen Elektrozäune auf, die genug ‹Pfuus› haben und die bei Unebenheiten am Boden auch kein Durchkriechen erlauben», weiss Steiner. «Es ist hingegen selten, dass ein Wolf über einen Elektrozaun springt.» Nachts sei es überdies ratsam, die Schafe einzustallen. «Die meisten Risse passieren abends oder in den frühen Morgenstunden.»

Der Wolf auf Beutesuche würde vor dem Überqueren des Rheins nicht Halt machen, ist sie überzeugt: «Wölfe können gut schwimmen, nehmen aber in der Regel den einfachsten Weg – über eine Brücke, wenn es geht.» Je nach Windrichtung könnten Wölfe ihre Beute über 2 bis 3 Kilometer weit riechen. In einer Nacht lege der Wolf oft Dutzende Kilometer zurück. Er meide auch die Infrastruktur der Menschen nicht – im Gegenteil: «Er stört sich nicht an Häusern oder Strassen – vielmehr nutzt er Letztere, weil dies energiesparender ist, gerade bei Schnee», so Steiner. Auch könne er durchaus auch mal eine Siedlung durchqueren.

Der Wolf meidet direkte Begegnungen mit Menschen. Das heisst aber nicht, dass er sich nur auf unbesiedelte Regionen beschränkt. So bereitet sich auch der dicht besiedelte Kanton Zürich auf die natürliche Wiederansiedlung des Wolfes vor, wie er im Ende 2014 erschienenen «Handlungsleitfaden Wolf» festhält: «Von nun an ist im Kanton Zürich mit einzelnen umherziehenden Wölfen zu rechnen», heisst es darin. «Auch eine dauerhafte Ansiedlung von Wölfen im Mittelland ist aufgrund der Anpassungsfähigkeit dieser Tierart nicht ausgeschlossen.» Vieles bleibt jedoch Spekulation: Ob im Mittelland Nutztiere gefährdet seien, sei «schwierig abzuschätzen», schrieb das Amt damals. Landwirte können sich seit 2015 durch den Herdenschutzberater des Strickhofs zum Thema informieren.

 

Wolf – Pro Jahr werden 200 Schafe gerissen

Seit 1995 wandern wieder ­regelmässig Wölfe aus den italienisch-französischen Alpen in unser Land ein – und pflanzen sich hier fort: Mittlerweile gibt es landesweit drei Rudel (GR/TI/VS). Die Schweiz mit dem grossen Wildbestand bietet ideale Lebensbedingungen für Wölfe. Sie jagen vor allem Hirsche, Rehe, Gämsen und Wildschweine. In der Schweiz werden im Jahr etwa 200 Schafe von Wölfen ­gerissen, vor allem in ungeschützten Herden. Der Mensch passt nicht in das Beuteschema des Wolfes – seit der Wiederansiedlung kamen keine Menschen zu Schaden. Angriffe in der Vergangenheit auf Menschen setzten stets spezielle Situationen voraus: So die von der Tollwut bedingte veränderte Verhaltensweise des Wolfes oder die aktive Fütterung durch Menschen.

Kommentare (1)

Beat Fellmann Mo 06.03.2017 - 10:02

Die Zahl der durch den Wolf gerissenen Schafe erscheint auf den ersten Blick gross. Stellt man sie aber der Zahl der verhungerten, abgestürzten oder an den Folgen der Klauenfäule verendeten Tiere gegenüber, relativiert sich das Ganze. Mit Herdenschutzmassnahmen durch die Züchter und Halter und angemessenen Entschädigungen sollte ein nebeneinander möglich sein. Zudem muss Wilderei, wie sie gerade im Kanton Wallis wieder vorgekommen ist, drastische Strafen zur Folge haben.

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