Ritter attackiert die Milchindustrie

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Die Lage auf dem Schweizer Milchmarkt ist für den Bauernpräsidenten Markus Ritter nicht länger akzeptabel. Bild: Key

Bauernpräsident Markus Ritter nimmt die Milchverarbeiter, Händler und Grossverteiler ins Visier. Sie erzielten auf Kosten der Milchproduzenten hohe Margen. Bei zu tiefen Preisen sollten die Landwirte aus der Milchproduktion aussteigen.

Von Tobias Gafafer

Für viele Milchbauern geht die Rechnung nicht auf. Pro Kilogramm Molkereimilch, das wichtigste Segment, empfiehlt die Branchenorganisation für den geschützten Inlandmarkt zurzeit einen Richtpreis von 65 Rappen. Anfang Jahr lag der realisierte Preis laut den Milchproduzenten im Schnitt bei rund 56 Rappen. In dieser schwierigen Lage rufen Branchenvertreter reflexartig nach dem Staat. Doch Markus Ritter, Präsident des Bauernverbandes (SBV) und Nationalrat (CVP/SG), schlägt neue Töne an. «So kann es nicht mehr weitergehen», sagt der Landwirt und Biomilchproduzent auf Anfrage.

Die Verarbeiter und der Handel zahlten nicht einmal den Richtpreis aus, obwohl die Milchpreise international stark gestiegen seien und die Produktion in der Schweiz klar zurückgegangen sei. «Der Bauer hat keine Wertschöpfung mehr, während die Milchverarbeiter und Grossverteiler sehr viel Geld verdienen», sagt Ritter. Dank ihrer Marktmacht könnten sie härter verhandeln. Der Aktienkurs der Emmi, des grössten Schweizer Milchverarbeiters, habe sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdreifacht. «Die Verarbeitungsindustrie zahlt Kadern mehr als doppelt so viel, als ein Bundesrat verdient.»

Milchbauern sollen rechnen

Ritter fordert keine höheren Direktzahlungen oder Richtpreise. «Das Problem ist, dass die Verarbeiter und Händler deutlich zu wenig zahlen und ihre Margen extrem hoch halten.» Der SBV hat seine Arbeitsgruppe Milch reaktiviert; sie soll den Druck erhöhen, damit der Markt wieder spielt. In der Verantwortung sieht Ritter die Bauern. Der ausgebildete Wirtschaftsingenieur rechnet ihnen vor, ab welchem Preis die Milchproduktion ökonomisch sinnvoll ist. Wenn der Markt nicht gewillt sei, den Bauern existenzsichernde Preise zu zahlen, müssten die Betriebe andere Richtungen prüfen und aus der Milchproduktion aussteigen.

«Wir halten uns an den Richtpreis»

Die Milchindustrie ist in der Schweiz stark konzentriert. Ein grosser Teil der gut 23 000 Produzenten beliefert Emmi, Cremo, Hochdorf und die Migros-Tochter Elsa, die rund 90 Prozent der Molkereimilch verarbeiten. Branchenvertreter weisen Ritters Vorwürfe zurück. «Wir halten uns an den Richtpreis», sagt Konrad Graber, Verwaltungsratspräsident von Emmi und Ständerat (CVP/LU). Bei Milch, die in den Export gehe oder im Inland in Konkurrenz zu ausländischer Milch stehe, zahle man den üblichen, tieferen Preis. Im Schnitt zahle Emmi einen Milchpreis, der einen Rappen über dem Schweizer Mittel liege. Der Gewinn sei vor allem auch dem Auslandsgeschäft zu verdanken, die Reingewinnmarge im Vergleich zu anderen Nahrungsmittelunternehmen bescheiden. «Das Geld brauchen wir, um jedes Jahr einen zweistelligen Millionenbetrag in den Produktionsstandort Schweiz zu investieren», sagt Graber.

Ähnlich äussert sich Hochdorf. Der Schweizer Milchmarkt funktioniere, sagt ein Sprecher. «Wenn wir im Vergleich zu anderen Milchverarbeitern einen tieferen Preis bezahlen wollen, erhalten wir sofort weniger Milch.» Die Lücke zwischen dem internationalen und dem Schweizer Milchpreis dürfe aber nicht zu gross sein. Die Grossverteiler Coop und Migros betonen ebenfalls, sie zahlten faire Preise.

Streit zwischen Bauernverbänden

Für die Branche ist Ritters Kritik und Absage an neue Subventionen ungewohnt. Der Verband der Schweizer Milchproduzenten (SMP) wollte vom Bund noch 2016 Soforthilfe in Millionenhöhe über Kuhbeiträge fordern. Der SBV aber machte nicht mit, wie das Fachblatt «Schweizer Bauer» berichtete. SMP-Direktor Stephan Hagenbuch relativiert die Differenzen. Man habe sich mit dem SBV auf eine Erhöhung der Beiträge für den Auslauf im Freien geeinigt. Damit die einheimische Milchproduktion nachhaltig sei, müssten auch die Molkereien und der Detailhandel einen Beitrag leisten. Gleichzeitig brauche es eine gewisse Menge Milch, wenn die Schweiz nicht noch den Import fördern wolle.

Gefordert sieht Hagenbuch auch die Bauern. Die Produktion von Käserei- und Biomilch sei profitabel. «Es ist nicht verboten umzustellen.» Nur: Für Biomilch gilt im Gegensatz zu Molkereimilch eine Mengensteuerung.

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