«Der erste Meistertitel war der speziellste»

Hans Christoph Steinemann | 
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Mit David Graubner vollzieht bei den Kadetten ein Spieler den Wechsel ins Management, der über ein Jahrzehnt den Handball in Schaffhausen und im Schweizer Nationalteam geprägt hat.

David Graubner, vor einer Woche gaben Sie Ihren Rücktritt vom Spitzensport bekannt. Haben Sie schon von Ihren beruflichen Plänen gewusst, als Sie vor rund eineinhalb Monaten noch als Captain und Abwehrchef um den Meistertitel kämpften?

David Graubner: Nein, zu diesem Zeitpunkt habe ich das noch nicht gewusst, auch beim Saisonabschluss, als wir im letzten Spiel gegen Winterthur Meister wurden, war das für mich nicht klar. Der Entscheid ist erst in der Sommerpause gefallen.

Sie wechseln mit 33 Jahren vom Profi ins Management der Kadetten und übernehmen die Geschäftsführung der Handball AG neben jenem der BBC-Arena, die Sie schon bisher ausgeübt haben. Was gab den Ausschlag?

Zum einen war das Angebot der Kadetten an mich herangetragen worden, verbunden mit der Frage, ob ich mir das überhaupt vorstellen könne. Klar war für mich von Anfang an, dass diese neue Funktion nicht mit derjenigen als Spieler zu vereinbaren wäre. Playing Manager ist eine blöde Idee, das geht nie gut. Von daher musste ich mich entscheiden, was ich will, denn mein Spielervertrag wäre noch ein Jahr weitergelaufen.

Wie lange kann denn eine Handballerkarriere heute dauern? Goalies können ja bis über 40-jährig spielen, wie das Vaskevicius oder Marinovic auch bei den Kadetten bewiesen haben.

Das hängt sicher von der Position ab. Im Abwehrzentrum wäre das sicher noch ein, zwei Jahre gegangen. Zumal ich das Glück hatte, in meiner Karriere von schweren Verletzungen verschont zu bleiben. Es war ­sicher nicht zwingend für mich, sofort zurückzutreten.

Sie blicken auf eine lange und erfolgreiche Zeit bei den Kadetten seit 2006 zurück: acht Meistertitel, fünf Cupsiege und unzählige internationale Einsätze. Was wird Ihnen am meisten in Erinnerung bleiben?

Der erste Meistertitel war für mich sicher der speziellste. Das ist ein Punkt in einer Karriere eines jungen Sportlers, den mir niemand mehr wegnehmen kann. Von den Emotionen her sind die anderen Titel nie mehr an den ersten herangekommen. Der zweite Punkt, der mir in Erinnerung bleiben wird, ist die Saison 2009/10, als wir im EHF-Cup bis in den Final gegen Lemgo gekommen waren und auf dem Weg dorthin mit Frisch Auf Göppingen und Flensburg-Handewitt zwei Top-Bundesligisten ausgeschaltet haben.

Es ist ja fast einem Zufall entsprungen, dass Sie vor der Saison 2006/07 von Fortitudo Gossau nach Schaffhausen gewechselt haben …

Ich habe damals in St. Gallen studiert und hatte nicht wirklich das Gefühl, dass ich noch ein Spitzensportler werde. Bei Gossau habe ich in der NLB Handball gespielt, das war damals ein Hobbybetrieb. Wir haben auch gegen die Kadetten Espoirs gespielt, ich mag mich indes nicht daran erinnern, dass ich da speziell gut aufgetreten bin. Auf jeden Fall kam dann aber die Anfrage an mich, ob ich zu den Kadetten wechseln möchte. Ich habe dabei gar nicht daran gedacht, dass ich da zehn Jahre bleiben würde. Ich wollte es einfach mal probieren, und wenn es nicht gegangen wäre, hätte ich auch zu Gossau zurückkehren können.

In der Saison 2012/13 haben Sie in der Bundesliga beim TV Grosswallstadt gespielt. Sportlich war die Saison mit dem Abstieg nicht gerade ein Erfolg.

Das Jahr hat mir trotzdem sehr viel gebracht. Klar, der Verein ist abgestiegen und hatte auch finanzielle Probleme. Neu war für mich, länger auf den Lohn warten zu müssen. Persönlich war es wichtig zu erleben, was in der Bundesliga so abgeht. Ich glaube, ich hätte nicht die gleiche gute Karriere bei den Kadetten gemacht ohne diese Erfahrung.

Ausgerechnet in der Saison 2012/13 ­haben die Kadetten – ohne Sie – das einzige Mal in den letzten sieben Jahren den Titel an Thun abgeben müssen. Es war auch zu hören, dass da vor allem die mentale Präsenz von David Graubner gefehlt habe.

Das kann man nie genau ­sagen, geschweige denn beweisen. Das war sicher auch eine Anhäufung von Zufällen, und das Team hat nicht optimal harmoniert, wie ich gehört habe. Trotzdem lag man in der Play-off-Finalserie 2:0 vorn und hätte den Titel schaffen können. Und alle hätten gesagt, es sei eine super Saison gewesen. Mit mir hatte das nicht viel zu tun.

Eine wichtige Rolle haben Sie in fast zehn Jahren auch im Schweizer Nationalteam gespielt, als Leader und ­Captain. Kurz vor Ihrem Debüt im Herbst 2006 bestritt die Schweiz im ­Januar 2006 letztmals an der Heim- EM ein grosses Turnier. Nachher hat es nie mehr gereicht. Ärgert Sie das?

An dieser Heim-EM durfte ich reinschnuppern. Es ist bitter, einmal dabei zu sein und dann zehn Jahre vergeblich auf eine weitere Qualifikation zu warten. Am Anfang waren wir näher dran als vor meinem Rücktritt.

Wie beurteilen Sie den Neuanfang mit Trainer Michael Suter?

Es wird auch in den nächsten Jahren nicht sofort klappen. Die letzte WM-Qualifikation hat gezeigt, dass man weit weg ist von einem Endrundenplatz. Trotzdem glaube ich, dass der von Michael Suter eingeschlagene Weg der einzig richtige ist.

Kommen wir noch auf Ihre neue berufliche Tätigkeit zu sprechen. Vor knapp zwei Jahren haben Sie mit der Geschäftsführung der BBC-Arena schon einen Teilbereich neben der Spielertätigkeit übernommen, ab sofort kommt mit der Kadetten Handball AG ein grösserer Teil neu hinzu. Was sind Ihre Aufgaben?

Ich bleibe wie bis anhin ­Geschäftsführer der BBC-Arena. Dazu kommt die ganze Handball AG, neben dem Bürobetrieb gehört das Zusammenführen und das Führen von allen Teilbereichen dazu. Es umfasst alles, was der Profisport mit sich bringt. Der dritte Teil meines Jobs ist die sport­liche Leitung der Mannschaft, also die ganze Planung von Terminen, Reisen und vielem mehr.

Sie werden deutlich mehr im Büro ­sitzen, aber als Teamchef zu vielen Spielen mitreisen. Wie ist die Stellvertretung geregelt?

Einen direkten Stellvertreter habe ich nicht. Aber für alle Bereiche gibt es Leute, die da sind, wenn ich abwesend bin. Auch Gabor Vass oder Peter Leutwyler stehen nach wie vor zur Verfügung. Und heutzutage ist man fast überall auf der Welt erreichbar.

Wie sieht die Zusammenarbeit mit Trainer Peter Kukucka und dem Staff aus?

Das muss sich im Detail noch entwickeln. Aber ich kenne Peter aus vielen gemeinsamen Jahren, und unsere Zusammenarbeit hat immer gut funktioniert – und wird auch in ­geänderter Rollenverteilung kaum zu Problemen führen.

Werden Sie sich auch um Transfers kümmern?

Um Transfers kümmern wir uns in einem Gremium. Präsident Giorgio Behr, die Verwaltungsräte Peter Leutwyler, Gabor Vass, der Trainer und ich gehören ihm an. Das ist jenes Gebiet, in dem ich nicht schnell viele Aufgaben übernehmen werde. Ganz einfach, weil es bei Transfers grosse Erfahrung braucht und man teilweise mit dubiosen Personen wie Spielerberatern zu tun hat. Da ist es von Vor­teil, wenn man sie kennt und weiss, wie sie ticken.

Über ein Jahrzehnt ­haben Sie selber sehr ­intensiv trainiert. Was sagt Ihr Körper nach dem Rücktritt dazu, haben Sie das Training jetzt auf null runter­gefahren?

Gleich nach der Saison habe ich zwei Wochen gar nichts gemacht. Aber das war im Sommer meist so. Mittlerweile bin ich schon lange wieder am Trainieren. Es ist einfacher, den Fitnessstand zu halten, als später wieder alles von neu aufzubauen. Genetisch bedingt hilft mir zudem mein Körperbau, damit ich mir keine Figursorgen machen muss.

Wenn es um die Fitness so gut bestellt ist, besteh auch die Möglichkeit auf ein schnelles Comeback im Notfall?

Es gibt genug Beispiele von Comebacks, die nicht positiv verlaufen sind. Und als Sportlicher Leiter kann ich einem Spieler nicht sagen, was er falsch macht, und dann plötzlich wieder auf dem Platz neben ihm stehen.

Und allenfalls in einer unteren Liga?

Für den ersten Moment ist das völlig ausgeschlossen. Vielleicht sieht das in einem halben Jahr anders aus, und ich stelle fest, dass ich Handball in meinem Leben unbedingt brauche. Aber vorerst sicher nicht.

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