Gratisbäume fürs Volk

Mark Gasser | 
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Um die Katze nicht im Sack zu kaufen, packen diese drei Mädchen den Baum erst aus. Erstmals holen sie ihn ohne Eltern ab und schleppen ihn durchs Dorf. Bild: Mark Gasser

Rudolf Karrer verteilt für die Gemeinde Laufen-Uhwiesen Gratis-Christbäume an die Einwohner.

Ein Christbaum nach dem anderen gleitet den Seitenwänden des Traktoranhängers entlang auf den Boden. Sachte werden die in Netze eingepackten Tännchen von Erwachsenen und Kindern aufgefangen und aufgereiht, um sie danach unter kritischen Blicken zu begutachten, denn hier darf sich jeder Haushalt seit Jahrzehnten einen eigenen Christbaum mitnehmen – und zwar gratis. 420 Christbäume aus der Christbaumzucht in Alten warten dieses Jahr auf ihre Abnehmer. Bereits vor dem offiziellen Abgabetermin ab 11 Uhr staut sich der Verkehr, und es bildet sich eine Traube von über 100 Menschen auf dem Primarschulhausplatz in Uhwiesen, etwas später auch im Nohl. Das verwundert nicht: Die Gemeinde beschenkt als einzige im Zürcher Weinland ihre Bewohner bereits vor Weihnachten mit Gratisbäumen.

Christbaumaktion ist umstritten

Zum Bild passt, dass der Gemeindepräsident persönlich mithilft, die Christbäume abzuladen: Ruedi Karrer macht es sichtlich Spass, gemeinsam mit dem Bauern Ruedi Anderegg, dessen Söhnen und Gemeindearbeiter Felix Bernhard, die Bäume unters Volk zu bringen. Der Hintergrund der Christbaumaktion ist umstritten. Für die meisten Einwohner ist sie – wie der Hilari – eine Reminiszenz an die Schenkung des Kohlfirstwaldes an die Ausseramtgemeinden durch das Burgfräulein Berta 1397. «Früher hatten wir die Bäume aus dem eigenen Forst, aber weil man heute keine Anlagen mehr mit Nadelbäumen unterhält und auf Naturverjüngung setzt, findet man wenige Christbäume im Cholfirst», weiss Karrer. Vor rund zehn Jahren habe der Gemeinderat über eine Abschaffung des Brauchs diskutiert. «Das hätte Radau gegeben.» Zudem koste der schöne Brauch die Gemeinde nicht viel.

Grosses Interesse

Auch René Wienke, gebürtiger Ostberliner, kommt etwas spät dazu, um für seine Nachbarin ein Bäumchen zu holen. «Ich selber habe dieses Jahr einen Plastikbaum, da ich in der Gastronomie arbeite.» Kurz nach dem Abgabestart steht eine Frau «wie bestellt und nicht abgeholt», erzählt sie und fügt an: «Auf die Männer ist einfach kein Verlass.» Einen kleinen Baum transportiert derweil ein Schuljunge mit dem Trottinett nach Hause. Ein junger Mann aus Beringen telefoniert mit Angehörigen, misst den Baum und versucht, die beste Wahl zu treffen. «Ich habe einen zweijährigen Sohn. Da muss ich ein wenig auf Weihnachten machen», erklärt er. Und weil seine Eltern und sein Bruder aus Uhwiesen nicht vom Angebot profitierten, nutze er es, da er hier aufgewachsen sei. Das gesellige Christbaumstöbern nimmt meist am Tischtennistisch bei Glühwein des Ehepaars Bettina und Andre Edelmann seinen Abschluss. Wer den Termin verpasst hat, kann noch bis Weihnachten auf dem Hof von Ruedi Anderegg oder im Nohl einen übrig gebliebenen Bäume mitnehmen. Eine Frau fährt als Letzte um 12.30 Uhr mit ihrem Auto vor – und bringt den Christbaumständer gleich mit. «Meinen Freund kann man handwerklich leider gar nicht gebrauchen», lacht sie.  

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