Regeln für Abgeltung aus Endlager-Kasse

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Wo die radioaktiven Abfälle – hier im Zwischenlager Würenlingen AG – einst vergraben werden, ist noch nicht beschlossen. Der jetzt veröffentlichte Leitfaden gibt aber bereits vor, wann und wie über Abgeltungen verhandelt werden soll. Bild: Key

Die Verteilung von Abgeltungen an die betroffene Standortregion eines Tiefenlagers steht zwar noch nicht bevor. Doch die Spielregeln, wie die Region zu Geld kommen soll, wurden gestern bekannt. Aktuell spricht man von bis zu 800 Millionen Franken.

von Alexa Scherrer und Mark Gasser 

Wo das geologische Tiefenlager dereinst seinen Standort finden wird, ist noch offen. Der Bundesratsentscheid soll bis ins Jahr 2030 gefällt werden. Dennoch wird bereits jetzt über allfällige Abgeltungen und Kompensationen diskutiert. Im Rahmen der dritten Etappe des Sachplanverfahrens geologische Tiefenlager haben die Vertreter der potenziellen Standortkantone und -regionen jetzt gemeinsam mit den AKW-Betreibern und in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich sowie dem Bundesamt für Energie (BFE) einen Leitfaden für den zukünftigen Verhandlungsprozess über diese Gelder erarbeitet. Ziel ist die Ausarbeitung eines Vertrags. Denn gesetzliche Grundlagen für solche Zahlungen gibt es keine, sie würden auf freiwilliger Basis erfolgen. Im Leitfaden wird davon ausgegangen, dass sich alle Entsorgungspflichtigen sowie der Bund an den Abgeltungen und Kompensationen beteiligen würden. Ob der Bund dazu seine Zustimmung geben oder ob er überhaupt an den Verhandlungen teilnehmen wird, ist gemäss BFE derzeit noch offen.

Der Beginn der Verhandlungen um konkrete Abgeltungen für die Regionen soll frühestens nach der Standortwahl für die Vorbereitung des Rahmenbewilligungsgesuches durch die Nagra und spätestens nach der behördlichen Überprüfung des eingereichten Gesuchs erfolgen. Dass man frühzeitig verhandle – nicht erst dann, wenn der Bundesrat entschieden habe –, sei «ganz wichtig für die Region», sagt Jürg Grau, Präsident der Regionalkonferenz Zürich Nordost, welche ebenfalls in die rund anderthalbjährige Arbeit um den Leitfaden involviert war. Der Bundesrat müsse für seinen finalen Entscheid wissen, dass die Region eine Abgeltung ausgehandelt habe, «und muss mit dieser zufrieden sein». Verteilung und Verwendung der Abgeltungen und Kompensationen würden in den Zuständigkeitsbereich einer «noch zu schaffenden Organisation» fallen, welche von der Standortregion und hier im Besonderen von den Infrastrukturgemeinden getragen würde.

Konkrete Beträge, um die es dannzumal gehen könnte, sind zwar im Leitfaden nicht erwähnt. Aber dass grundsätzlich Abgeltungszahlungen und Kompensationsmassnahmen zu leisten sind, ist politisch und gesellschaftlich unbestritten und werde von den Entsorgungspflichtigen bejaht. Dies hat der Bundesrat bereits in einem Postulatsbericht vom Oktober 2015 erwähnt.

300 bis 800 Millionen für die Region?

Aus dem Entsorgungsfonds, der unter Aufsicht des Bundes steht, sol-len die Entsorgungspflichtigen «sukzessive Beiträge von 300 Millionen Franken für ein Lager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle sowie 500 Millionen Franken für ein Lager für hochradioaktive Abfälle» einzahlen. 800 Millionen Franken, so der aktuelle Stand, sind veranschlagt für ein Kombilager. Doch die Beträge sind eine Momentaufnahme. «Die Entsorgungspflichtigen machen alle fünf Jahre eine neue Kostenaufstellung», weiss Grau. Landbesitzer hingegen fallen nicht in dieselben Verhandlungen: Wie beim Autobahnbau «werden sie marktüblich entschädigt», weiss Grau. «Der Bund hat auch die Möglichkeit zu enteignen.»

Ohne etwas vorwegzunehmen, darf angenommen werden, dass sich die ­Regionen wohl nicht unterhalb die- ser Beträge zufriedengeben würden. Schliesslich nannten vergangene Kostenstudien stets Summen von Hunderten von Millionen. «Eine Erwartungshaltung ist schon da», findet Grau. Die genannten Beträge «müssen eine Minimalforderung» sein, so seine Meinung. «Die Verhandlungen werden aber sicher lange Prozesse sein.» Die Verhandlungsparteien bestehen aus maximal je fünf Vertretern des Standortkantons, der Entsorgungspflichtigen, und der Gemeinden. Falls deutsche Gemeinden mit einer Person um die Abgeltungen mitreden, so sind die Gemeindevertreter zu sechst. Die Regionalkonferenz wird eine Teilkonferenz aus Behördenmitgliedern der betroffenen Gemeinden bilden. «Diese müssen dann entscheiden, welche Vertreter in die Verhandlungsdelegation kommen», so Grau. Doch das wird erst Mitte der Etappe 3 (ab 2019) geschehen. Mit dem Leitfaden ist er vorerst zufrieden. «Dieser entspricht den Erwartungen und Bedürfnissen der Standortregion.»

Glossar: Abgeltungen, Kompensationen und andere Entschädigungen

Der Leitfaden gilt als Grundlage für die künftigen Verhandlungen über Abgeltungen in Etappe 3.

Abgeltungen sind die Beträge, die für die Übernahme einer nationalen Aufgabe geleistet werden, unabhängig von deren Auswirkungen auf die Region. Auf deren Verwendung haben die Entsorgungspflichtigen keinen Einfluss.

Kompensationen werden beantragt, vom BFE bewilligt und von den Entsorgungspflichtigen geleistet, wenn eindeutig nachgewiesen werden kann, dass das Tiefenlager in einem ­bestimmten Bereich einen negativen Einfluss auf die Region hat.

Haftpflichtansprüche bestehen gegenüber den Entsorgungspflichtigen, wenn im Rahmen der Projektrealisierung etwas unvorhergesehen schiefgeht und Schäden entstehen.

Schadenersatz wird fällig, wenn durch das Projekt gewisse Personen geplant zu Schaden kommen. Letztere beide sind bereits gesetzlich geregelt.(r.)

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