New Talent Stage – von zart bis hart

Janosch Tröhler | 
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Wilde Rastalocken fliegen zu lauter Musik: Sänger Florian Ganz von Jack Slamer geht aus sich raus. Bild: Selwyn Hoffmann

Während die Stars von heute auf dem Herrenacker auftreten, erobern die Helden von morgen den Fronwagplatz.

Emanuel Reiter ist Exil-Bayer in der Ostschweiz. Ein Barde mit Gitarre, der von guten und anderen Zeiten singt. Reiters Lieder sind feinfühlige Balladen über die Liebe und das Leben. Die Stücke balancieren zwischen Pop, Folk und – zugegeben – etwas schnulzigem Zuckerguss. Mit seiner schlichten Hornbrille, dem sauberen Hemd und der adretten Frisur mimt Reiter zugleich den perfekten Schwiegersohn. Kombiniert man das mit den süss-klebrigen Songs und seiner bayrischen Höflichkeit, dann ist das Resultat fast ­penetrant brav. Allerdings kann man es Emanuel Reiter einfach nicht übel nehmen, dass er etwas Zärtlichkeit in die kalte Welt bringen will.

Sanfte Tagträume

Der Luzerner Simon Borer ist ein Tausendsassa. Er zupft bei Pablo Nouvelle und führt mit Red Brick Chapel ein eigenes Musiklabel. Nebenbei hat er noch Zeit für sein Alter Ego: Long Tall Jefferson. Mit dem Album «I Want My Honey Back» ist er nun seit über einem Jahr auf Tour.

Im Grunde ist er wie Emanuel Reiter nur ein Mann mit seiner Gitarre. Doch es liegen Welten, wenn nicht Universen zwischen den beiden. Long Tall Jefferson findet seine Wurzeln im amerikanischen Folk, bei Dylan und Co. Spätestens als sich der Luzerner die Mundharmonika ins Gestell spannt, ist die Abstammung offensichtlich.

Manchmal erhalten die Songs einen leichten Country-Einschlag, wenn der Musiker seine ganze Sehnsucht in die Stimme legt. Die Finger springen rastlos über die Saiten, schaffen filigrane Stücke mit Landstrassen-Charme. Long Tall Jeffersons Klänge entführen einen in ruhige Tagträume.

Laut und dreckig

Der Seelenfriede hält nicht lange vor. Als wäre es eine Persiflage von Kafka, wird der Fronwagplatz unruhig aus sanften Träumen geweckt. Jack Slamer aus Winterthur sind das pure Gegenteil: wild, laut und dreckig. Von der Bühne kracht eine teuflische Mixtur aus Stoner und Hard Rock. Die Gitarren kreischen, die hohe Stimme von Florian Ganz zerfetzt die liebliche Abendstimmung. Die Musik hat eine Virtuosität inne, der man sich nicht entziehen kann. Hier regiert für einen Moment die brachiale Energie des Rock ’n’ Roll. Bei Jack Slamer stillen Fans härterer Kost ihren Hunger und spülen das Ganze genüsslich mit einem kühlen Blonden runter.

Was die Band abliefert, ist nichts Geringeres als jugendlicher Übermut – gegossen in Musik. Rock, der sich in einer popverseuchten Welt rabiat Platz schafft: So eskalieren die Gitarrensoli, schlingern wie ein Muscle Car qualmend um die Kurven. Da wundert es nicht, dass Jack Slamer als eine der heissesten Nachwuchsbands gehandelt wird. Eine solche Wucht und Frechheit, eine derartige Ignoranz der Massentauglichkeit hört man selten.

Die New Talent Stage bietet die komplette Palette, von federleichten Klängen bis zum schweren Grollen. Vor allem aber ist es eine Wundertüte, die für jeden einen musikalischen ­Leckerbissen bereithält.

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