Der singende Koch verlässt jetzt den Herd

Edith Fritschi | 
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Gute Laune gib’s bei ihm dazu: Heinz Hösli, Abteilungsleiter und Koch im Schaffhauser Coop-Restaurant. Bild: Selwyn Hoffmann

Er singt und pfeift bei der Arbeit: Heinz Hösli vom Coop-Restaurant ist einer der am besten gelaunten Köche in Schaffhausen. Nach 32 Dienstjahren geht er jetzt in Pension.

Am 22. Dezember ist sein letzter Arbeitstag. «Danach werde ich nur noch zu Hause kochen», sagt Heinz Hösli. Und die Frau? Freut sie sich auch so darauf wie er? Wenn er plötzlich in der Küche steht und alles umräumt oder besser weiss? Es ist ja bekannt, dass pensionierte Herren plötzlich den Haushalt entdecken und alles falsch finden, was bisher geschah. «Keine Angst», beruhigt Hösli. «Meine Frau und ich können ganz gut zu zweit am Herd stehen, auch wenn sie findet, ich mache mehr Unordnung als sie.» Schon sind wir mitten in der Geschlechter­debatte. Hösli vertritt die These, dass Frauen immer sofort alle Gerätschaften abwaschen wollen, derweil er, wenn er eine Kelle hinlege, die dann später noch mal brauche. «Das sind die Unterschiede.» Aber sonst? Hösli ist ein friedlicher Mann, der stets gut gelaunt ist, was auch seine Gäste im Coop-Restaurant wissen und schätzen.

Singe, wem Gesang gegeben

Kommt man die Rolltreppe hoch und hört Gesang aus dem Bistro, ist das nicht etwas das Radio, sondern O-Ton Hösli. «Das ist mein Naturell», sagt er. Er singe und pfeife einfach gern. Aber nicht zur Freude aller. Da gab es mal einen miesepetrigen Geschäftsführer, der ihm das Singen verbieten wollte. Aber oha lätz, da war er an den Falschen geraten. Da ist mit dem fröhlichen Koch nicht gut Kirschen essen. Er liess sich weder Mund noch Gesang verbieten, und dabei blieb es.

20 Jahre lang führte er als Gerant den legendären «Silbernen Brunnen», das Epa-Restaurant, das 2004 zusammen mit dem Kaufhaus geschlossen wurde. Doch immerhin konnte Hösli seinen Renner, seine Riesenschnitzel, ins Coop-Restaurant hinüberretten, wo er nun seit zwölf Jahren Abteilungsleiter ist – und damit eine grosse Konstante in wechselhaften Zeiten. «Nein», sagt er, «stimmt nicht ganz. Viele der Angestellten sind auch schon jahrelang da. Manche noch aus Epa-Zeiten.»

Hier schweigt des Wirts Höflichkeit

Als wir ihn besuchen, deckt er zusammen mit einer langjährigen Mitarbeiterin den Tisch für die Chlausfeier von ehemaligen Epa-Beschäftigten. «Die kommen jedes Jahr und tauschen Erinnerungen aus.» Davon hat auch Hösli mehr als genug. Und er könnte viel erzählen, wenn er wollte und dürfte. «Was habe ich nicht alles erlebt», meint er vielsagend und winkt dann ab. «Nein, das geht nicht. Manche Gäste kommen immer noch, und die würden sich in den Geschichten sofort wiedererkennen.» Schweigen gehört eben auch zum Wirtetakt.

Hösli hat sowohl den «Silbernen Brunnen» als auch das Coop-Restaurant stets wie seine eigene Beiz geführt. «Das war das Schöne dran», sagt er. «Wenn ich Zeit hatte, bin ich rumgegangen und habe die Gäste namentlich begrüsst.» Das tut er immer noch, bleibt da und dort stehen, macht ein Schwätzchen, wünscht «en Guete». Auch sonst war er für die Gäste da, mit offenem Ohr und Empathie für ihre Wünsche. «Man hat uns nie wie eine Ware behandelt», sagten die Stammgäste damals, vor zwölf Jahren, als der «Silberne Brunnen» versiegte.

Von Generation zu Generation

Und das blieb weiter so, weil Hösli blieb. Aber: «Es hat sich vieles verändert in den Jahren», sagt er. Die Zusammensetzung der Gäste etwa. War das Epa-Restaurant in den ersten Jahren Treffpunkt für die ältere Klientel und Leute mit kleinem Portemonnaie, ist das Publikum heute komplett gemischt: Alte und Junge, Arme und Reiche, Laute und Leise, Höfliche und mitunter Unverschämte. «Hier essen Büezer, Banker, Schüler, Lehrer, Stadträte und der Stadtpräsident», meint Hösli stolz. «Das ist eine Beiz für alle, auch noch für ein paar Stammtische, vor allem am Samstagmorgen.» Früher gab es mehr davon, doch ein Teil seiner Kunden sei weggestorben. Andere bringen neue Generationen mit. «Manche kamen mit den Eltern als chlini Bürzel, jetzt kommen sie mit ihren eigenen Bürzeln.» Und erklären diesen, wer Herr Hösli ist: Der Koch, der singt und freundlich ist, wenn man sich entsprechend benimmt.

Sonst kann er auch harschere Töne anschlagen. «Es gibt Leute, die holen im Laden etwas zu essen, packen es aus und fragen dreist, wo Besteck, Salz und Pfeffer seien.» Das geht selbst dem gutmütigen Hösli zu weit: «Man sollte wenigstens einen Kafi konsumieren.» Und er wundert sich über die, die das falsche Getränke rauslassen und es dann einfach wegkippen. «Wenn ich frage, was sie da machten, sagen sie mit Unschuldsmiene: ‹Nüüt›.» Obwohl er alles beobachtet hat. «Die Leute sollen es wenigstens stehen lassen, damit ich es verschenken kann.»

«Opa» qualmte wie Helmut Schmidt

Früher hatte er noch mehr dieser speziellen Gäste, als man noch rauchen durfte, damals im Epa-Restaurant. Da kippte der eine oder andere sein Tschumpeli schon mal am Tresen und füllte es gratis nach. Er hat’s gesehen, aber eben: Augen zu. Diese Leute sind nach der Einführung des Rauchverbots weggeblieben. Und ein paar Originale gab es unter den Gästen: Etwa den alten Herrn, den alle nur Opa nannten. Noch mit 96 sass er da, qualmte wie Helmut Schmidt und liess sich vom Personal hin und wieder den Einkauf machen.

Dann gab es den Tessiner- und den Italiener-Stammtisch. Die Kapo war da und die alten Damen, die sich, wenn sie Krach hatten, weit auseinander setzten. Da wussten alle, was es geschlagen hatte. «Ganz am Anfang haben einige ihre Tische besetzt, und wehe, es hat sich jemand anders hingesetzt», erinnert sich Hösli. Da gab es böse Blicke fast wie in der Rhybadi, wo man sich ebenfalls nicht an den falschen Ort setzen sollte. «Damit habe ich aufgeräumt.» Ein Restaurant sei für alle da. Punkt. «Jeder kann Platz nehmen, wo er will.» Und im Coop-Restaurant klappt das längst bestens.

Zur Epa, wegen der Arbeitszeiten

Hösli ist gebürtiger Glarner, «ein echter Schabziger», sagt er. Die Familie kam aus der Innerschweiz. Aber eigentlich ist er Schaffhauser, vom Dialekt her und weil er fast sein ganzes Leben hier verbracht hat. Nur während der Lehrjahre war er unterwegs, hat im Kurshaus in Melchsee-Frutt gelernt, ging nach Liechtenstein, Grabs, Saas Fee, Davos, auf die Rigi und nach Kanada. «In Montreal habe ich im ‹Queen Elizabeth› gearbeitet, einem Hilton-Hotel.» Danach ging es zurück nach Schaffhausen, wo er die Wirteschule absolvierte, um eine eigene Beiz aufzumachen. «Dann aber suchte die Epa jemanden, und ich habe mich beworben. Vor allem wegen der Arbeitszeiten», sagt er. «Die waren viel besser als in einem Restaurant, wo man immer abends und am Wochenende arbeiten muss.» Denn kurz zuvor hatte er geheiratet, und da stellte sich die Frage: Familie oder Kochkarriere. «Ich habe es nie bereut, ich konnte recht selbständig schalten und walten», sagt er, auch wenn seine Freiheiten dann mit dem Wechsel von Epa zu Coop ein wenig eingeschränkt wurden. In der Systemgastronomie gebe es eben spezielle Vorschriften. Einige Menüs müssen in den ganzen Schweiz gleich sein. «Aber man ist auf einem guten Weg», sagt er im Hinblick auf den Arbeitsplatz, den er nun verlässt. Was ihm nicht gepasst hat, war, dass er die Kräuter aus dem eigenen Garten nicht mehr nehmen durfte. «Ich weiss, es gibt klare Richt­linien. Aber meine Kräuter sind mit Garantie mehr bio als alle anderen.» Er hat sich damit abgefunden. Saurer stösst ihm dagegen auf, dass man als politisch korrekter Mensch nicht mal mehr «Zigeunerschnitzel» sagen darf.

Tempi passati. Künftig wird Hösli seine Pfeifensammlung pflegen, auch wenn er nicht mehr raucht. Dafür raucht’s bei ihm im «Chämi.» Er räuchert nämlich Schinkli, Würste und anderes. «Das ist mein Hobby», sagt er. Der eine oder andere Stammgast wird ihn deswegen sicher mal zu Hause aufsuchen.


«Silberner Brunnen»  - Auch im Epa-Restaurant stand Heinz Hösli an den Töpfen

Am 7. August 2004 hat die Epa in Schaffhausen ihre Türen geschlossen. Das Restaurant «Silberner Brunnen» hatte einige Wochen zuvor schon zugemacht. Die Epa gab es seit 1933 in Schaffhausen: Sie war als zehnte Filiale in der Schweiz mit einem Angebot von 200 Artikeln eröffnet worden – zu Preisen zwischen fünf Rappen und zwei Franken.

Der Umbau des Hauses und des Restaurants ab 1955 war mit einem jahrelangen Ringen zwischen Stadt, Altstadtkommission und Architekten verbunden. Dann aber wurden Kaufhaus und Restaurant zum Treffpunkt. 20 Jahre war Heinz Hösli dort als Koch und Gerant tätig und verkaufte täglich gut 50 Stück seiner Spezialität: der Riesenschnitzel namens «Elefantenohr».

Seit September 2004 ist er Abteilungsleiter im Coop-Restaurant, wo er am 22. Dezember nun den «Letzten» hat.(efr).

 

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