Ein Geniestreich des Theaters 88

Alfred Wüger | 
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Der Tod (mit Kerzen auf dem Hut) ist an das Bett der jungen rothaarigen Vogellisi getreten, die eben erst ein Kind geboren hat, und wird sie mit sich nehmen. Bild: Alfred Wüger

«Der Franzos im Ybrig» feierte am Freitagabend in der voll besetzten Aula Premiere.

Schon der Beginn war stark. Wie der Sargtoni erscheint, auf dem Kopf einen Hut, auf dessen Krempe Kerzen brennen, elektrische natürlich, sodass der Schauspieler – der durch sein lakonisches Spiel auffallende Stephan Hugentobler – im Laufe des Stücks die Lichter an- und ausknipsen kann. «Ufschtoo», sagt er, «s git Aarbet. De Chrieg isch im Land.» Jetzt gelte es, ein Grab zu schaufeln so breit wie das ganze Tal.

Liebe und Tod, Angst und Witz

Das Stück, die Dialektkomödie «Der Franzos im Ybrig», wurde von Thomas Hürlimann, dem Autor von «Das Gartenhaus», «Vierzig Rosen» und «Fräulein Stark», um nur die zu nennen, im Jahre 1991 geschrieben. Geschildert wird darin der Einmarsch der Franzosen, die im Jahre 1798 in die Innerschweiz vorrücken. Täglich erreichen neue Schreckensmeldungen von verwüsteten Städten die Gaststube des Dörfchens. Und erzeugen Angst. Gerüchte entstehen. Eine Mückenseuche in den Ställen zeuge von der nahenden Apokalypse, meint der Pfarrer (gespielt von Erich Fehr). Der Lehrer (Hanspeter Hotz) glaubt sogar, schon einen Franzosen gesichtet zu haben, aber der Ammann Lymacher (Meinrad Eichenberger) behält einen kühlen Kopf: Man müsse auf den Berg steigen und eine Lawine aus Eis und Felsen bauen und dann auf die Franzosen hinunterdonnern lassen. Gesagt, getan, die Männer ziehen los – aber das Stück hat längst das Publikum zum Lachen gebracht. Weil nämlich die Ehefrauen der ratschlagenden Männer diese im Wirtshaus erwischt haben und sie mit Haselruten heimwärtstreiben.

Schliesslich den Xanthippen auf den Berg entronnen, vermissen die Ybriger Männer ihre Gattinnen schon bald. Und werden vernünftig. «Was, wenn unsere Lawine unsere Frauen unter sich begräbt?»

Im Dorf unten geht indes der Tod um. In der Gestalt des Sargtoni kommt er ins Krankenhaus, wo die Mutter Kälin (Magdalena Gnädinger) im Sterben liegt. Sie aber kommt davon, dafür nimmt der Tod die junge Mutter Vogellisi (Sabrina Bloch) mit. Bewegend, poetisch, nüchtern gespielt. Und tatsächlich taucht ein Franzose auf! Der Schlachtenmaler Foulon. Tock, tock, macht sein Holzbein. Erst fürchten die Frauen ihn, machen sich unappetitlich, aber dann erwacht die Neugier, und die Frauen springen in die Zuber und waschen sich. Der arme Foulon weiss sich ihrer kaum mehr zu erwehren und fällt erschöpft in einen Kinderwagen. Da kommen die Männer vom Berg, die Gewehre im Anschlag stehen sie da. Und der Tod schlägt zu: Der fahrende Händler Orgel Jakob (David Hilti) taumelt blutüberströmt daher und wird vom Sargtoni aufgefangen. Ende der Komödie, die fast als Musical durchgehen könnte, denn ganz hervorragend spielen der Multiinstrumentalist Andy Salzmann und die Akkordeonistin Nathalie Fahr die von Hard Hepp geschriebene feine Musik.

Die Schauspielerinnen und Schauspieler haben viel zu singen. Nicht dass sie ihre Partien mit Bravour meistern würden, aber sie bewältigen sie mit viel Geschick. Das ist wirklich ganz stark. Noch mehr Freude macht, dass während keiner Sekunde Langeweile aufkommt. Dies ist die Leistung von Regisseurin Susanne Breyer. Diesen Leckerbissen, den das Theater 88 da auftischt, sollte man sich nicht entgehen lassen.

Die Schauspieler haben viel zu singen. Nicht dass sie ihre Partien mit Bravour meistern, aber sie bewältigen sie.

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