Kombinierter Kampf gegen den Winzling

Ulrich Schweizer | 
Noch keine Kommentare
Ein 4 Meter hohes und 100 Meter langes, feinmaschiges schwarzes Netz trennt die Reben von einem «Hotspot», einer Hecke am Hallauer Berg. Markus Leumanns Geste (l.) zeigt deutlich, was es soll – die KEF von den Reben fernhalten. Bild: Ulrich Schweizer

Die erste Kirschessigfliege bei der Eiablage wurde vor zehn Tagen entdeckt. Das Hallauer KEF-Projekt hat eine Strategie, wie man die ­Trauben schützen will.

«Bis vor 14 Tagen war die Fliege praktisch inexistent, jetzt ist sie da», sagte Markus Leumann, Chef des Schaffhauser Landwirtschaftsamts und Rebbaukommissär der Kantone Schaffhausen und Thurgau, als er gut 30 Medienschaffende gestern Vormittag im Tuffsteinkeller der Volg-Rebstation Hallau zur Vorstellung des Hallauer KEF-Projekts begrüsste, das von der «Taskforce Drosophila suzukii» des Bundesamts für Landwirtschaft unterstützt wird.Drosophila suzukii,das ist der wissenschaftliche Name der Kirschessigfliege, kurz KEF, die im September 2014 erstmals massiv in den Schweizer Reben auftrat und bei frühreifen dunklen Rebsorten mit dünnen Häuten wie Regent oder Cabernet Dorsa gewaltige Schäden verursachte.

Seit Herbst 2014 ist viel passiert

An der Herbstversammlung 2016 der Rebbaugenossenschaft Hallau/Oberhallau wurde beschlossen, beim Bundesamts für Landwirtschaft Unterstützung anzufordern für ein Kirsch­essigfliegen-Projekt, das auch landschaftliche Aspekte miteinbezieht. «Agroscope unterstützt uns relativ stark, wir arbeiten international vernetzt mit Freiburg im Breisgau und ­innerhalb der Schweiz kantonsübergreifend zusammen, berücksichtigen andere Obstkulturen wie Holunder, Steinfrüchte, Brombeeren, Heidelbeeren und Himbeeren», führte Leumann aus.

Mit im Boot sind Pflanzenschutz- und Rebbaufirmen, Winzerinnen und Winzer, Kellereien wie Paul Gasser in Ellikon, die Weinkellerei Rahm in Hallau, die vor Ort ihr Labor zur Verfügung stellt, und die Weinkellereien Volg, die in der Rebstation Hallau bei Feldversuchen aktiv mitmachen.

«Unser Ansatz ist ganz einfach», erklärt Leumann, «wir denken von der KEF aus, nehmen ihre Perspektive ein, um diese Taufliege und ihr Verhalten zu verstehen.» Dabei gelte es, die ­natürlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen und Massnahmen zu kombinieren: «Wir haben keine Patentlösungen anzubieten, aber wir haben eine Bekämpfungsstrategie entwickelt», so Leumann weiter (vgl. Kasten links).

Insgesamt arbeiten 40 Leute im Hallauer KEF-Projekt unter der Leitung von Markus Leumann und dessen Stellvertreter Markus Hallauer, Präsident der Rebbaugenossenschaft Hallau/Oberhallau. Nadine Brinkmann von der Fachstelle Weinbau SH/TG wurde vor ein paar Monaten eigens eingestellt – für die GIS-Kartierung des Hallauer Bergs und das Identifizieren der «Hotspots», wo die KEF lebt, die Registrierung ihres Flugverhaltens und die Evaluierung verschiedener Fallentypen. Armin Wälti betreut das Monitoring, das Auszählen der in den Fallen gefangenen Fliegen, und Werner Siegfried, der ehemalige Leiter Weinbau an der ­Eidgenössischen Forschungs­anstalt Agroscope in Wädenswil, ist ­zuständig für das Vergrämen und Bekämpfen der KEF im Rebberg.

«Unser Ansatz ist ganz ­einfach: Wir denken von der Kirschessigfliege aus, um sie zu verstehen.» Markus Leumann, Rebbaukommissär Schaffhausen und Thurgau

«Dieses Jahr stehen die Winzer enorm unter Druck», hielt Markus Hallauer fest. «Nach den Frostnächten von Ende April kamen die Hagelschläge vom 2. und 18. August, und jetzt droht die Kirschessigfliege. In dieser Situation leidet die gesamte Branche und ist gefordert.» Die Kirschessigfliege zu eliminieren, sei nicht möglich, viele Fragen seien noch offen, doch ist Hallauer überzeugt, dass es gelingen werde, mit diesem Tier umzugehen. Die Bedrohung durch die Kirschessigfliege dürfe die Vorfreude auf die Ernte nicht zunichtemachen. «Wir sitzen alle im selben Boot, und ich bin froh, dass wir mit Dr. Nadine Brinkmann auch einen Doktor an Bord haben – denn es geht um den Schmerz des Winzers.»

Ortstermin am Hallauer Berg

Dunkle Trauben sind für die Kirschessigfliege ein Ersatz, die Weibchen legen ihre Eier erst dann in dünnhäutige Beeren dunkler Rebsorten, wenn sie keine Steinfrüchte wie Kirschen und Zwetschgen und keine Holunder- oder Brombeeren mehr finden. Kann es gelingen, sie von den Reben fernzuhalten? Bei idealem Suzukii-Wetter – Luftfeuchtigkeit 100 Prozent, leichter Regen, Temperatur 20 Grad Celsius – geht es in den Weinberg. Am ersten Standort zeigt Mauricio De Almeida, Leiter der Rebstation Hallau der Volg Weinkellereien, den Versuch, die Kirschessigfliegen mit einer hohen Fallendichte am Rand einer Hecke davon abzuhalten, überhaupt in die Reben hinüberzuwechseln. «Wir sind viel weiter als 2014», sagt er, «wir kennen die KEF jetzt, und wir sind vernetzt.»

Am zweiten Standort zeigt Christoph Bär, Geschäftsführer von Qualifru Witterungsschutz, ein 4 Meter hohes, 100 Meter langes schwarzes Netz mit einer Maschenweite von nur einem Millimeter, das zwischen einer Hecke und einem Weinberg gespannt worden ist. Die ersten Rebzeilen seien bislang stark befallen worden, nun wolle man sehen, ob das grosse Netz dagegen helfe: «Schwarz wirkt in der Landschaft weniger auffällig, und wir wollen hier einfach herausfinden, ob es jetzt nur 5 Prozent der Fliegen sind oder 95 Prozent, die diese Barriere überwinden.»

Kommentare (0)

Neuen Kommentar schreiben

Diese Funktion steht nur Abonnenten und registrierten Benutzern zur Verfügung.

Registrieren