Hummer betäuben - «ein Verhältnisblödsinn»

Alexa Scherrer | 
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Kommt der Hummer künftig auf den Teller, muss er vor dem Kochen betäubt werden. Bild: Pixabay

Der Bundesrat hat entschieden: Hummer müssen vor dem Kochen betäubt werden. Der Schaffhauser Starkoch André Jaeger hat kein Verständnis für den «unsinnigen Erlass».

Sie gelten als Delikatesse und wer sie verspeisen will, muss tief in die Tasche greifen. Doch die Zubereitung von Hummern ist heftig umstritten: Dass die Meerestiere lebendig ins kochende Wasser geworfen werden, sei Tierquälerei, hört man immer wieder. Videos und Erzählungen von pfeifenden, fiependen Hummern machen die Runde - die einen sagen, es sei lediglich Luft, die entweicht, die anderen meinen, es handle sich um den hörbar gemachten Todesschmerz der Tiere.

So oder so: Ab 1. März ist Schluss mit der Lebendzubereitung der Krebse. Gegen den Widerstand der Gastronomie hat der Bundesrat beschlossen, dass Hummer, Langusten oder Bärenkrebse vor dem Töten betäubt werden müssen - zum Beispiel mit Elektroschocks.

«Das ist ein Sekundentod» 

«Verhältnisblödsinn» findet das Gault-Millau-Koch André Jaeger, der während 40 Jahren die Schaffhauser Fischerzunft führte. «Offenbar gibt es in der Schweiz zu viele Beamten, die zu wenig zu tun haben», wettert er. Seit jeher habe er die Hummer einzeln und mit dem Kopf voran in siedendes Wasser getaucht. «Das ist ein Sekundentod», sagt der Luxus-Koch. Er sei ein absoluter Humanist und ein grosser Tierfreund. Der Respekt vor der Natur und vor jedem einzelnen Lebewesen sei für ihn immer zentral gewesen. Seine Küche, seine Gerichte, sein Erfolg - das alles basiere auf diesem Respekt. «Ich verabscheue alles, was mit Tierquälerei zu tun hat.» Hätte einer seiner Köche einen Hummer lebend zerschnitten - wie das in Asien gang und gäbe sei - wäre das ein Grund für eine fristlose Entlassung gewesen. «Bei diesem Gedanken sträuben sich bei mir alle Haare.»

Ein Pfeifen habe er beim Hummer kochen jeweils nicht gehört. «Wir haben nur das Wasser strudeln gehört», sagt Jaeger. Er sei sehr darauf bedacht, den Hummern - wie allen anderen Lebewesen - Sorge zu tragen, sie artgerecht zu halten und so human wie möglich zu töten. Aber bei der Zubereitung im heissen Wasser habe er weder ein schlechtes Gefühl, noch ein schlechtes Gewissen gehabt. «Wenn man ein Tier essen will, muss man es vorher töten», sagt Jaeger. In der Fischerzunft habe er ein Meerwasserbassin mit den lebenden Hummern unterhalten - eine «richtige Wissenschaft» sei es gewesen, die Filter zu warten, die Temperatur, den Salzgehalt und den PH-Wert des Wasser zu regeln und zu überwachen.

«Daran muss man sich halten»

Für Jaeger gäbe es in der Schweiz «hundert andere Themen», die wichtiger wären. Auf der einen Seite wären da die Insekten, die man jetzt millionenfach an den Mann bringen wolle, zum anderen etwa die Nordseekrabben, die auf den Kuttern auch nicht einzeln betäubt würden oder die Zustände auf den Grossschlachthöfen, die ausgeblendet würden. Deswegen propagiere er seit vielen Jahren, die Tiere head to tail - von der Schnauze bis zum Schwanz - zu verarbeiten und verspeisen. «Wir sind ja eher zu degenerierten Filetfressern verkommen», sagt der Spitzenkoch. Nachhaltige Aufzucht, Haltung und qualitative Produkte sei etwas vom wichtigsten - und viel wichtiger als dieser «unsinnige Erlass betreffend Hummer». Zum Schluss sei es auch eine absolute Minderheit, die davon betroffen sei. Die Dichte an Restaurants, welche Hummer servierten, sei nicht besonders gross. «Unverständlich, was der Bundesrat damit für ein Zeichen setzen will.»

Den Hummer kopfvoran ins siedende Wasser tauchen - so handhaben es auch die beiden Sterneköche mit Schaffhauser Wurzeln, Adrian Bührer und Fabio Toffolon (siehe Box). «Am Kopf ist die dünnste Stelle des Panzers. Das ist die schnellste Methode, den Hummer zu töten», sagt Bührer. Weder er noch Toffolon haben je einen Hummer pfeifen gehört. Ob in ihren Küchen bald ein Betäubungsgerät stehen wird, ist noch nicht klar. «Es gibt immer wieder neue Erkenntnisse und neue Gesetze. Die muss man einhalten», sagt Bührer pragmatisch. 

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