Wo Bienen auf Bestäubungstour fliegen

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Die Schweizer Imker stehen mit importierten Parasiten und Monokulturen vor immer neuen Herausforderungen – dies in ihrer Freizeit. Wir zeigen auf, wo der Konflikt mit der Landwirtschaft liegt und welche Gründe es gibt, dass die Situation der Bienen im Kanton Schaffhausen trotzdem in stabilen Bahnen verläuft.

von Lia Pescatore

Fünf Milliarden Bienen werden schätzungsweise in der Schweiz gehalten – Kühe findet man 7000-mal weniger. Trotz ihrer grosser Anzahl wird die Bedeutung der Bienen für die Landwirtschaft leicht unterschätzt. Dabei nehmen sie gemäss dem Bienenverband der Deutschschweiz hinter Kühen und Schweinen die drittwichtigste Position ein. Ausschlaggebend dafür ist nicht der Honig, den sie produzieren. Es ist vielmehr der Nebeneffekt, der beim Sammeln des Nektars auftritt: die Bestäubung der Pflanzen.

Honigbienen sind zu 80 Prozent dafür verantwortlich, dass unsere Obst- und Beerenkulturen bestäubt werden. Das Halten von Bienen wird durch die neuen Einflüsse aus der Umwelt immer kosten- und zeitaufwendiger. Umso spezieller ist es, dass die Bienenhaltung in der Schweiz grösstenteils als Hobby betrieben wird.

Hobby mit öffentlicher Verantwortung

Es ist nicht selbstverständlich, dass die Bienen ihre Arbeit wie gewohnt weiterführen können. Sie haben zu kämpfen: mit importierten Parasiten, Pestiziden aus der Landwirtschaft und der fehlenden Vielfalt in der Pflanzenwelt. Eine grosse Gefahr ist die aus Asien importierte Varroamilbe. «Die Milbe findet man heutzutage in jedem Stock», sagt der Schaffhauser Bieneninspektor Johannes Gnädinger. Die Bienen sind der Milbe ohne fachmännische Behandlung ausgeliefert und von der Pflege der Imker abhängig. Hier zeigt sich, dass das Halten von Bienen eine andere Dimension hat als zum Beispiel das Halten einer Katze oder eines anderen Haustiers.

«Als Imker übernimmt man auch eine öffentliche Verantwortung», sagt Gnädinger. Hält man die Tiere nicht richtig, sind nicht nur die eigenen betroffen. Da sich Bienen frei bewegen und schnell in Kontakt mit anderen Völkern kommen, ist die Gefahr der Verbreitung einer Krankheit sehr gross.

Seit 2010 ist es schweizweit obligatorisch, seine Bienenstandorte dem Veterinäramt zu melden. Die gemeldeten Informationen sind für jedermann im Internet auf dem kantonalen Geodatenportal (GIS) als Karte zugänglich. Wenn man diese genauer betrachtet, fällt auf, dass man kaum Bienenstöcke in der Nähe von Feldern findet. Grund sind die verwendeten Pestizide, die von den Bauern zum Pflanzenschutz eingesetzt werden. Sie sind, im falschen Moment angewendet, schädlich bis tödlich für Insekten, so auch für die Biene. Einige Stoffe wurden in den letzten Jahren schon verboten, doch Roland Lauber, langjähriger Imker (siehe Reportage rechts), sieht auch heute noch problematische Mittel auf dem Markt. Doch er versteht auch die Situation der Bauern. «Sie stecken in einer Zwickmühle.» Es fehle an Studien, welche die Schädlichkeit bewiesen.

Die Imker wählen zur Abhilfe Standorte für ihre Bienen, die möglichst in landwirtschaftlich ungenutzten Gebieten liegen. Beliebt sind zum Beispiel Waldränder und Täler. Die Bienenstöcke sind folglich nicht gleichmässig im Kanton verteilt, sondern konzentrieren sich gerne an einer Stelle, wo die Umstände gut sind – zum Beispiel in Hemmental. «Die Region um den Randen ist ideal, da dort die Natur noch nahezu intakt ist», sagt Hans-Ruedi Weber, Präsident des Kantonalen Bienenzüchtervereins Schaffhausen.

Blütenvielfalt bringt mehr Honig

Im Kanton Schaffhausen habe es in der Imkerei keine dramatischen Veränderungen gegeben, fasst Weber die letzten Jahre zusammen. Die Zahlen blieben fast konstant, Ende 2016 sind es gemäss Landwirtschaftsamt 201 Standorte und 129 Imker. Einziger Vorfall sei ein fremdes Volk, das letztes Jahr von ausserhalb nach Schaffhausen gebracht worden sei, erzählt er.

Der Frost, der letzte Woche die Bauern in die Verzweiflung getrieben hat, war für die Bienen nicht so tragisch. «Die Völker legen sich meistens einen Vorrat an», sagt Johannes Gnädinger. «Ein Problem wird es erst, wenn es längerfristig kalt bleibt und die Blüten als Folge keinen Nektar mehr aussondern würden.»

An der Honigproduktion, die meist über dem nationalen Durchschnitt liegt, zeigt sich, dass der Kanton Schaffhausen den anderen Kantonen etwas voraushat. Im Jahre 2013 lag der nationale Durchschnitt bei 17,7 Kilogramm pro Volk und Jahr, Schaffhausen erntete ganze 35,3 Kilogramm. Johannes Gnädinger erklärt sich dies vor allem durch das grosse Trachtangebot. «Wir haben im Kanton eine relativ grosse und auch eine relativ frühe Vielfalt an Pflanzen.» Vor allem die vielen Rapsfelder und Obstbäume seien günstig. In der Blütezeit ist der Einsatz von Pestiziden verboten, und die Felder sind für die Bienen ungefährlich. Weber will auch den lokalen Gärtnern ein Kränzchen winden. «Sie leisten mit ihrer Pflege einen wichtigen Beitrag zur Biodiversität.»

Ausschlaggebend für das Wohlergehen der Bienen sei schliesslich eine fundierte Ausbildung der Imker, sagt Weber. Im Kanton Schaffhausen funktioniere dies zurzeit gut. Es fehle ihnen nicht an Nachwuchs, der auch die Ausbildungskurse besuche. Dies ist nicht überall so. Der «Landbote» berichtete vergangene Woche, dass im Weinland aufgrund der falschen Behandlung der Varroamilbe ein Drittel aller Bienenvölker den Winter nicht überlebt habe.

Hunderttausende Haustiere

Schon seit seiner Kindheit ist der Umgang mit Bienen Teil von Roland Laubers Leben.  Damals begleitete er seinen Grossvater zu dessen Bienenstand. Seither hat sich in der Imkerei vieles getan.

Roland Laubers Bienenwagen steht an einem lauschigen Waldrand. Von der gleich nebenan liegenden Strasse aus gesehen, die Dörflingen mit Thayngen verbindet, ist er gut versteckt. Der kleine Wagen könnte auf den ersten Blick auch als Wohnwagen dienen. Gardinen hängen vor den Fenstern, die Wände sind in einem freundlichen Bordeauxrot gestrichen. Ein wenig auffällig sind einzig die Bienen, die den Wagen vermehrt umschwirren.

 

 

Sobald man die Schutzkleidung des Imkers angezogen hat, sieht man die Welt hinter Gittern. Zu schützen ist vor allem der Kopf, da mehrere Stiche, vor allem am Hals, schnell gefährlich werden können. Um unsere blossen Hände vor Stichen zu bewahren, gibt uns Lauber mit auf dem Weg, möglichst nicht herumzufuchteln.

Eine teure Leidenschaft

Das Innere des Wagens ist genauso unauffällig wie die Aussenseite. Auf der einen Seite reiht sich Türchen an Türchen, jedes mit einer Nummer versehen. Hinter diesen verbergen sich, vorerst unbemerkt, Tausende von kleinen Tierchen. Wenn man die Tür öffnet und das Vlies entfernt, kann man den Bienen hinter der Glasscheibe bei der Arbeit zusehen. Zurzeit sind sie nach der ruhigen Phase im Winter wieder am Aufbau der Völker und der Waben.

Dies ist der Moment, um über den vergangenen Winter Bilanz zu ziehen. Lauber hat über die kalte Jahreszeit 15 seiner 39 Völker verloren. Dies sei aber noch völlig im Rahmen. Auf die Frage, was ihn das denn finanziell koste, winkt er ab. Das Finanzielle sei für ihn kein grosses Thema: «Da kommt man nirgends hin.» Mit dem Verkauf vom Honig könne man etwa die Materialkosten decken. Der Arbeitsaufwand, laut einer Berechnung des deutschschweizerischen Bienenverbandes jährlich rund 200 Stunden für sechs Völker, wird den Leu- ten nicht vergütet. Es sei die Leidenschaft, die ausschlaggebend sei bei der Imkerei, sagt Lauber. Für ihn hat das Hobby familiäre Tradition. Schon sein Grossvater hielt Bienen in der Nähe des Stadtzentrums von Schaffhausen. Lauber hat die Bienen nach dem Tod des Vaters vor rund zwanzig Jahren übernommen. Sobald man mal angefangen habe, könne man nicht mehr aufhören. «Dabei hatte ich als kleiner Junge Bienen gar nicht so gerne», sagt Lauber.

Seit der Zeit, als er noch seinem Grossvater zuschaute, habe sich einiges verändert. Damals hätte man die Bienen ohne Betreuung überwintern lassen können. Heute sei dies nicht mehr möglich. Im Winter müssten die Bienen wegen der Milben und der Parasiten, die sich gerne in der Wärme des Stockes einnisten, behandelt werden. Im Herbst mit Ameisensäure, im Dezember dann mit verdampfter Oxalsäure.

Der Frühling bringt viel Futter

Alljährlich, wenn die wilden Kirschblüten blühen, beginnen die Bienen ihre Völker für den Sommer aufzustocken. Durch die bunten Öffnungen der Bienenstöcke fliegen die Sammlerinnen aus, um Nahrung für ihr Volk heranzuschaffen. Die Pflanzen bieten im Frühling einen Überschuss an Nektar, der zu sammeln ist. «Die Bienen sind weniger aggressiv, da sie zurzeit genug zu essen finden», erklärt Lauber. Bienen, die mit reicher Beute zurückkehrten, erkenne man leicht. «Die sind durch die schwere Last zum Teil so träge, dass sie den Eingang verfehlen und an die Wand klatschen.»

Viermal um die Welt: So viele Informationen über Bienen, bis einem der Kopf summt

  • Ein Volk zählt im Sommer um die 30 000 Bienen. Unterschieden werden Arbeiterinnen, Drohnen und die Königin. Arbeiterinnen übernehmen im Laufe ihres Lebens (im Winter sechs Monate, im Sommer zwei bis drei Monate) alle Aufgaben ausser der Fortpflanzung – diese bleibt der Königin vorbehalten. Die Drohne, die männliche Biene, ist nur zur Fortpflanzung gedacht.
     
  • Für ein Kilo Honig besuchen die Bienen etwa 150 Millionen Blüten und bringen so 160 000 Kilometer hinter sich – umfliegen also bis viermal die Erde. Eine einzelne Biene schafft «nur» 3000 Blüten pro Tag, bräuchte für das Unterfangen allein 137 Jahre.
     
  • Um die 100 Kilogramm Honig produziert ein Volk pro Jahr. Er dient ihnen als Nahrung. Darum erntet der Imker je nach Ertrag nicht mehr als 30 Kilogramm.
     
  • Über 600 Bienenarten gibt es in der Schweiz, die meisten davon sind Wildbienen. Diese leben solitär und nisten am liebsten im Boden.
     
  • Unterstützencvkann man die Bienen, indem man den Honig beim lokalen Imker kauft. Das Bepflanzen des Gartens mit einheimischen Sträuchern und Blumen bringt den Bienen wie auch anderen Insekten, zum Beispiel Schmetterlingen, eine willkommene Nahrungsquelle.

 

 

 

 

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