«Nehmen Sie mir nicht mein Leben weg»

Pascal Schmidlin | 
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Der Sohn hat die eigene Mutter schwer verprügelt. Symbolbild: Pixabay

Die eigene Mutter hat ein Mann schwer verprügelt. Nun hat ihn das Kantons­gericht zu einer Gefängnisstrafe verurteilt – aufgeschoben zugunsten einer therapeutischen Massnahme.

Nicht zum ersten Mal ist es an Weihnachten 2015 zwischen einem Mann und seiner mittlerweile mehr als 70-jährigen Mutter zum Streit gekommen. Doch diese letzte Auseinandersetzung endete blutig: Die alarmierte Polizei fand an jenem Weihnachtsabend die Mutter im Badezimmer neben der Toilettenschüssel liegend. Ihr Sohn hatte ihr mehrfach mit den Fäusten ins Gesicht geschlagen, bis sie ohnmächtig wurde. Sie erlitt eine Hirnerschütterung, mehrere Hämatome, eine Rissquetschwunde am Kopf und eine Nasenfraktur.

Er sei eigentlich ein lieber «Kerl», aber unter Alkoholeinfluss werde er wild, sagte der Beschuldigte gestern vor der Strafkammer des Schaffhauser Kantonsgerichts, wo er sich wegen des Angriffs auf seine Mutter verantworten musste.

Langjähriges Alkoholproblem

Im Leben habe es der Mann nicht einfach gehabt, führte sein amtlicher Verteidiger Jürg Uhlmann aus. Die Eltern des Beschuldigten liessen sich früh scheiden, und der Mann sei als Kind wohl auch körperlich von seiner Mutter gezüchtigt worden. Seit mehreren Jahren wohnt der Beschuldigte mittlerweile in seinem Heimatland Serbien, war aber zuletzt in der Schweiz, da er Sozialstunden verrichten musste – als Ersatzstrafe für eine Busse, die er nicht bezahlen konnte. Aufgrund seines langjährigen Alkoholproblems sei es in der Zeit in der Schweiz zu zahlreichen Streitereien gekommen, so der Beschuldigte. Mehrmals sei auch die Polizei zur Wohnung der Mutter ausgerückt, sagte Kantonsrichter Andreas Textor, der den Vorsitz der Strafkammer hatte.

Auslöser für den jüngsten Streit war Geld: Der alkoholabhängige Sohn hatte an diesem Tag die Mutter – bei der er temporär wohnte – um Geld gebeten, um sich damit an der Tankstelle Alkohol zu kaufen. Nachdem die Mutter im Verlaufe des Tages bereits mehrmals dieser Bitte nachgekommen war, verweigerte sie schliesslich, ihm noch mehr Geld zu geben. Da brannten dem Beschuldigten die Sicherungen durch, und er griff seine Mutter an. Zudem bedrohte er in einem Telefonat seine Stiefmutter, mit der er ebenfalls Unstimmigkeiten hat – dies aufgrund des Erbes seines kürzlich verstorbenen ­Vaters.

In die «Kleine Verwahrung»?

Staatsanwältin Monika Jehli forderte für die Vergehen des Mannes eine Haftstrafe von drei Jahren und acht Monaten, allerdings aufgeschoben zugunsten einer stationären Massnahme – der sogenannten «Kleinen Verwahrung». Dies, weil der Angriff auf die Mutter eine versuchte schwere Körperverletzung gewesen sei, die gar tödlich hätte enden können. «Es ist erbärmlich, wenn der Sohn die eigene Mutter bewusstlos schlägt», sagte sie.

Verteidiger Uhlmann plädierte hingegen für eine bedingte Freiheitsstrafe von 20 Monaten und eine ambulante Behandlung – falls überhaupt. In seinem Schlusswort bat der Beschuldigte um Verzeihung für sein Verhalten – und den Verzicht auf eine stationäre Massnahme, die unter Umständen Jahre dauern könnte. «Nehmen Sie mir nicht mein Leben weg», flehte er unter Tränen.

Das Flehen zeigte aber keine Wirkung: Der Mann wurde zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt. Diese wird aber zugunsten einer stationären Massnahme aufgeschoben. «Der Beschuldigte leidet an einer paranoiden sowie dissozialen Persönlichkeitsstörung, mit denen die Taten zusammenhängen», begründete Kantonsrichter Textor das Urteil. Ausserdem muss der Mann eine Geldstrafe von 5100 Franken bezahlen und zusätzlich der Mutter eine Genugtuung in Höhe von 3000 Franken leisten.

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