Den Tätowierern über die Schulter geschaut

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Messebesucher Bartol Simic lässt sich vom Westschweizer Tattoo-Artisten Simon Baron spontan einen Unterwelt-Gott aufs Bein zaubern. Bild: Evelyn Kutschera

An den Tattoo-Days in der Schaffhauser BBC-Arena gab’s nicht nur Informationen übers Tätowieren. Man konnte sich auch gleich selbst ein Motiv stechen lassen – oder anderen dabei zusehen, wie sie sich unter die Nadel legten.

von Anna Rosenwasser, Bilder: Evelyn Kutschera

Das Surren der Nadeln ist das Erste, was auffällt, und das Letzte, was verebbt. Beim Betreten der BBC-Arena erklingt es von Liegen und Stühlen, auf denen Menschen ihre Gliedmassen einer Nadel entgegenstrecken. Nicht selten bilden sich Trauben aus Beobachtern um das Live-Tätowieren, manchmal mit empathisch verzogenen Gesichtern.

«Es ist cool, wenn die Leute einen anschauen und bewundern», sagt Martin Schliewack. «Man sieht in ihren ­Augen, dass sie mit mir mitfühlen.» Von 11 bis 15 Uhr hat sich der 19-Jährige an diesem Samstag unter die ­Nadel gelegt. Nun prangt ein schwarz-weisser Tigerkopf auf seiner Brust. In späteren Sessionen soll er noch farbig werden – an seinen beiden Seiten Wald, die eine Seite heil, die andere brennend. Schon seit über zwei Jahren studiert Martin am Design herum. Die Entscheidung, das rund 1800 Franken teure Kunstwerk auf seinem Körper zu verewigen, fällt an der Schaffhauser Tattoo Convention dann allerdings eher spontan. «Ich bin glücklich, dass mein langjähriger Plan in Erfüllung geht», sagt Martin nach der langen Stech-Session, «aber auch, dass ich jetzt die Schmerzen los bin. Es gibt kaum eine Stelle, die schmerzhafter ist als die Brust.»

Über den ganzen Samstag und Sonntag erstrecken sich die diesjährigen Schaffhauser Tattoo-Days, erstmals in der BBC-Arena. 40 Tätowiererinnen und Tätowierer zeigen ihr Können. An einer Handvoll Stände werden zudem Schmuck, Tattoo-Zubehör und Kleidung verkauft. Ins Auge fällt ein Baby-Strampler mit dem Aufdruck «My mommy’s tattoos are cooler than your mommy’s». Besucherinnen und Besucher können sich Entwürfe von Tattoo-Studios aus der ganzen Schweiz besehen, sich auf Termin oder einfach spontan tätowieren lassen.

Bartol Simic hat sich kurzfristig für das Motiv entschieden, das gerade auf seinem Oberschenkel verewigt wird: einen Gott der Unterwelt. Das wievielte Tattoo ist es denn? Der St. Galler denkt lange nach. «Ich hab zwischen 25 und 30.» Nicht wenige davon sind an Conventions entstanden, für die Bartol auch gern ins Ausland reist: In London beispielsweise sind bis zu 300 Tätowiererinnen und Tätowierer aufs Mal vertreten, erzählt er, während das düstere Wesen auf seinem Schenkel langsam Gestalt annimmt. «Vom Schmerz her ist die Körperstelle chillig», sagt Bartol mit zufriedenem Gesichtsausdruck. «Nächste Woche kommen die Rippen dran, das wird ärger.»

Kein Wettbewerb mehr

Die letzten Tattoo-Days in Schaffhausen gingen vor zwei Jahren über die Bühne, zuvor fand der Anlass jährlich statt. Ein Wettbewerb der frisch kreierten Tattoos steht diesmal nicht mehr auf dem Programm: So gäbe es weniger Stress und Unfrieden, während die Bewunderung für die Kunstwerke dennoch anhalte, lässt das neunköpfige OK verlauten. Seit seinen Anfängen 1999 hat der Anlass schon so manche Veränderung durchgemacht. Immer wieder waren die Tattoo-Days durch Standortwechsel geprägt – allerdings oft aus dem Grund, dass die Veranstaltung wuchs und in grössere Gebäude ziehen musste.

Sandy Wehrli liegt auf der Seite, wirft manchmal einen Blick auf das entstehende Bild auf der Rückseite ihres Oberschenkels. Acht Stunden dauert es, bis die Frau mit dem Raben fertiggestellt ist. «An einer Convention geht das Stechen etwas länger als im Studio», sagt die tattooerprobte Winterthurerin. «Ich glaube, nach diesem Motiv warte ich eine Weile, bis ich mir das nächste Tattoo machen lasse.» Ihr Tätowierer grinst. «Ach was», sagt er ungläubig.

Selbstversuch

An den Tattoo Days Schaffhausen haben wir den Selbstversuch gewagt und ein Tattoo stechen lassen. Die Erfahrungen finden Sie hier im Video und Artikel.

 

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