Mit Joggen mehr Ferien verdienen

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Drei Stunden Sport wöchentlich ergibt bei Mimer fast eine Woche Ferien. Bild: Key

Skandinavische Firmen belohnen Mitarbeiter mit zusätzlichen Ferien, wenn sie jede Woche Sport treiben – und ihren Erfolg akribisch in einem Trainingstagebuch festhalten. Das Ziel: gesündere, robustere und belastbarere Angestellte.

von Niels Anner

Während Antonio Paramio auf dem Crosstrainer steht, träumt er vom Fischen. Von Vormittagen an einem einsamen See; von Ferien. Dafür trainiert der schwedische Baufachmann fünfmal pro Woche. Sein Arbeitgeber belohnt ihn dafür mit freien Tagen: Treibt Paramio mindestens drei Stunden pro Woche Sport, kann er sich so fast eine Woche zusätzliche Ferien im Jahr verdienen. «Dass ich einfach tue, was mir Spass macht und was mich fit hält, ist fantastisch», sagte Paramio kürzlich gegenüber dem dänischen Fernsehen DR.

Mitarbeiter führen Tagebuch

Entworfen hat das neue Ferienkonzept Mimer, eine grosse Verwaltungsfirma für Mietwohnungen in Västeraas, westlich von Stockholm. Das Unternehmen fand in einer Personaluntersuchung heraus, dass sich jeder zweite Angestellte gestresst fühlt. «Der Stress rührt sowohl vom Job als auch von der gesamten Lebenssituation her», sagt Wivecka Ljungh, Personalchefin bei Mimer. Sport und Bewegung seien «eine richtig gute Medizin», um die Anfälligkeit gegenüber Stress zu reduzieren. Mimer erhofft sich gesündere Mitarbeiter sowie eine Reduktion der Krankheitstage. Konkret gibt die Firma eine Liste mit akzeptierten Arten von Trainings vor, wobei auch Vorschläge willkommen sind. Die Angestellten reichen bei ihren Vorgesetzten Trainingstagebücher ein, worauf ihnen 20 Prozent der Trainingsstunden als Ferien gutgeschrieben werden.

Die Firma Mimer trifft mit ihrem Konzept einen Nerv in Schweden. Gemäss den Krankenkassen hat sich in Schweden die Anzahl der jährlich wegen Stress krankgeschriebenen Menschen innert sechs Jahren mehr als verdoppelt; gezählt wurden psychische Leiden, die im Zusammenhang mit schwerem Stress oder Burn-out entstehen.

Es gibt weitere Beispiele von Unternehmen, die Sportmöglichkeiten anbieten. So etwa die dänische Grosswäscherei Midtvask. Als Versuch hat das Unternehmen ein Fitnessprogramm sogar innerhalb der Arbeitszeit – während eineinhalb Stunden pro Woche – eingeführt. Das Resultat: «Alle Teilnehmer verspürten bei der Arbeit, aber auch im Leben generell mehr Energie», erklärte Midtvask-Geschäftsführerin Pernille Lundvang der Zeitung «Avisen.dk». Sport mache psychisch und physisch stärker, was «gigantische Langzeiteffekte» habe.

«Nicht zum Sport zwingen»

Lundvang will deshalb das Konzept aus Schweden mit der Ferienbelohnung übernehmen. «Man kann die Leute nicht zum Sport zwingen», sagt sie. Aber man könne Anreize schaffen. Sie plant, das Training direkt im Anschluss an die Arbeit anzubieten. Es soll zusammen mit den Kollegen stattfinden und so eine soziale Komponente haben.

Unter Experten gehen die Meinungen zu solchen Fitnessbelohnungen auseinander. Grundsätzlich, sagte die Stressspezialistin Tina Tangal gegenüber DR, sei Bewegung gut gegen Stress. Aber: Es komme auf das Niveau, den Zwang zum Sport und die individuellen Bedürfnisse an. Für einige sei der Arbeitsweg mit dem Velo viel besser als eine Stunde im Fitnessraum. Psychologisch sei es wichtig, dass jeder Mitarbeiter sich nach Lust und Laune mehr bewegen könne: «Die Leute sollen ein gutes Erlebnis beim Training haben und nicht sich einfach für mehr Ferien abmühen.» Andere Experten sehen gerade in der Belohnung ein Problem – weil neuer Druck aufgebaut werde.

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