Auf, zum Ersten Mai!

Zeno Geisseler | 
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Lieder gehören zum Ersten Mai wie rote Fahnen, Fair-Food aus der Dritten Welt und altbackene Parolen. Hier, wahrscheinlich als historisches erstes Mal, ein kleiner Überblick der liberalen SN über die wichtigsten sozialistischen Lieder.

Wann wir schreiten Seit an Seit

Es ist einfach gemein: Kaum hat die Arbeiterbewegung einen Gassenhauer komponiert, wird er frech kopiert. So ist es auch «Wann wir schreiten Seit an Seit» (1914) ergangen. Der ursprüngliche Refrain («Mit uns zieht die neue Zeit») wurde von christlichen Verbänden in «Christus, Herr der neuen Zeit» umgewandelt, die Kommunisten machten daraus «Mit uns zieht Ernst Thälmanns Geist» und ja, auch die Nazis nahmen den Song in ihr Repertoire auf («Mit uns zieht das Dritte Reich»). Die SPD singt das Lied bis heute zum Schluss ihrer Parteitage, natürlich in der Arbeiterversion.

 

Auf, auf zum Kampf

Dieses Lied ist in seiner Urversion 110 Jahre alt und wurde 1919 als Kampflied der deutschen Arbeiterbewegung bekannt («Dem Karl Liebknecht, dem haben wir’s geschworen/ Der Rosa Luxemburg reichen wir die Hand»). Das Stück wurde mehrmals umgetextet, so, noch vor der Arbeiterversion, bereits für die Soldaten des Ersten Weltkriegs («Dem Kaiser Wilhelm haben wir’s geschworen/ Dem Kaiser Wilhelm reichen wir die Hand»). Auch die Nationalsozialisten fanden Gefallen daran («Dem Adolf Hitler haben wir’s geschworen/ Dem Adolf Hitler reichen wir die Hand»). Kein Wunder, die Nazis verstanden sich schliesslich auch als «Arbeiterpartei».
Diese Version, in der Arbeiterfassung von 1919, wird von Hannes Wader gesungen, dem Autoren des Schulliedklassikers «Heute hier, morgen dort».

 

Einheitsfrontlied

Dieses Lied wurde von Bertolt Brecht (Text) und Hanns Eisler (Musik) geschrieben und 1934 erstmals aufgeführt. Mit der «Einheitsfront» ist die Union von Kommunisten und Sozialdemokraten im Kampf gegen die Nationalsozialisten gemeint («Drum links, zwei, drei, drum links, zwei drei, wo dein Platz, Genosse, ist. Reih dich ein in die Arbeitereinheitsfront, weil Du auch ein Arbeiter bist.»)

 

Brüder, zur Sonne, zur Freiheit

Das Lied stammt ursprünglich aus dem zaristischen Russland, seit 1918 gibt es eine deutsche Version. Das Stück ist gemäss Wikipedia das wohl meistgesungene Lied der deutschen Arbeiterbewegung und wird bis heute von der deutschen SPD an Parteitagen gesungen. In der DDR war «Brüder» natürlich ebenfalls Pflicht. Und bei den Nazis? Da gab es gleich zwei braune Versionen («Brüder in Zechen und Gruben», bzw. «Brüder, formiert die Kolonnen»). 

 

Bella Ciao

Was, dieses harmlose Liedlein aus der Gesangsklasse bei Fräulein Müller in der vierten Klasse ist ein roter Revoluzzersong? Oh, ja! Es ist ein antifaschistisches Lied aus dem italienischen Bürgerkrieg (1943 bis 1945), seine Ursprünge reichen aber ins 19. Jahrhundert. Auch dieses Lied wurde vielfach adaptiert, aber für einmal nicht von den Nazis, sondern von diversen Schlager- und Softmusikkünstlern. Hier die Version von, Schluck!, André Rieu, samt wunderbar kitschiger Weihnachtsdeko. (Sorry, aber wir konnten die Fassung des slowenischen Frauenchors «Kombinat» leider online gerade nicht finden).

 

Rote Raketen

«Rote Raketen erhellen die Nacht, zeigen den Weg zur Entfaltung der Macht. Arbeiter, Bauern, in Stadt und Land, reicht euch zum Kampfe die Hand.» Eher weniger bekannt, aber «Rote Raketen» hat eine eingängige Melodie. Und dass ein Lied von 1929 von Raketen singt, ist zukunftsweisend. Es gibt sicher auch eine nordkoreanische Fassung.

 

Und, last but not least:

Die Internationale

Proletarier aller Länder, vereinigt euch! Zum Beispiel eben mit diesem Lied, der Hymne aller Sozialisten. Bis 1943 war «Die Internationale» auch Nationalhymne des verbrecherischen Sowjetregimes unter Josef Stalin - was aber für die Sozialdemokraten von heute kein Hinderungsgrund ist, das Lied anzustimmen. Ganz so sattelfest wie früher sind die SPler von heute allerdings nicht mehr, wie das Video von Keystone zeigt.

 

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