«Autos machen auch Eindruck auf Frauen»

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Die drei Neuhauser Boliden, die am Car-Freitag einen Ausflug nach Singen gemacht haben, machen sich wieder auf den Weg zurück nach Hause. Es war nicht allzu viel los. Bild: Christoph Merki

Sie sind Autofreaks für langjährige Kollegen. Nun fuhren die jungen Neuhauser für einen Augenschein zum Car-Freitag nach Singen.

Von Christoph Merki

Die Tachonadel klettert rasant, bald hat sie 200 Kilometer in der Stunde überschritten. Auf dem kurzen Abschnitt der unbeschränkten deutschen Autobahn in Richtung Singen schiessen am Karfreitag drei Autos mit Schaffhauser Kennzeichen durch die Nacht – ein BMW 640, ein Audi S4 und ein Audi SQ5. Tiefergelegt und mit auffallenden Felgen versehen sollen die Gefährte durchaus Eindruck machen. Am Steuer drei junge Neuhauser. Das Ziel ist der Parkplatz beim Fast-Food-Restaurant Kentucky Fried Chicken im Industriegebiet in Singen. Früher sei auf diesem Areal jeweils einiges abgegangen, erzählen sie. Doch seit die Polizei grosse Kontrollen durchgeführt habe, seien immer weniger Besitzer schneller Autos aufgekreuzt. Am Karfeitag jedoch erhoffen sie sich ein kleines Revival des Tuning-Treffpunktes. In Herblingen bei der Autowaschanlage wird der S4 noch ausgiebig «eingeseift», bevor die rasante Fahrt über die Grenze startet. Gut ein Dutzend Mitfahrer im Alter zwischen 19 und 24 Jahren machen sich mit den drei Autos auf den Weg, weitere sollen später dazustossen.

Schnelle Autos machen Eindruck

Die Idee, an diesem Karfreitag einen Ausflug nach Singen zu machen, entstand schon am vorangegangenen Sonntag beim SBB-Bahnhof in Neuhausen. Vor dem Avec Shop treffen sich die jungen Autofreaks nämlich fast täglich. «Früher haben wir beim Kirchacker Fussball gespielt und sind dann hier herumgehängt», erklärte Miodrag, «jetzt treffen wir uns einfach mit den Autos.» Nicht das Angeben mit vielen PS, sondern einfach das Treffen mit Freunden stehe im Vordergrund. Obwohl er danach zugeben muss, dass schöne Autos durchaus eine Wirkung haben – nicht zuletzt auch auf Frauen. «Seit ich den Audi habe, winken mir schon mehr Frauen zu», meint er verschmitzt. Sinnlose Runden durch die Stadt würden sie aber dennoch nicht machen. «So langweilig ist uns dann doch nicht», lacht er. «Wir kommen wegen unserer Kollegen hierher», betont auch Elia. Trotzdem: Die Autos und die PS kommen immer wieder zur Sprache. Ihre eigenen sind mindestens tie­fergelegt und mit auffallenden Felgen versehen, auch Distanzscheiben seien mancherorts eingebaut. Jedoch – und dies betonen sie – seien alle Veränderungen zugelassen. Auch wenn die Polizei manchmal kontrolliert habe, zu beanstanden sei nichts gewesen.

PS im Zaum gehalten

Auch am Karfreitag trifft sich die Gruppe beim Bahnhof in Neuhausen, bevor in Herblingen bei der Waschanlage noch ein kurzer Stop eingelegt wird und die freien Plätze in den Autos gefüllt werden. Unweit des Ziels ist am Strassenrand auch schon die Polizei zu entdecken. Mit einer Laserpistole kontrolliert sie das Einhalten der erlaubten Geschwindigkeit, die Neuhauser lässt sie passieren. Auch vor dem KFC hat die deutsche Polizei unübersehbar mit zwei Streifenwagen Position bezogen. Die Neuhauser Truppe findet sogar einen Parkplatz direkt vor dem Fast-Food-Restaurant; dieser stehe jedoch nur Kunden zur Verfügung, wie grosse Aushänge klarmachen. Zwei Angehörige einer privaten Sicherheitsfirma sind für die Umsetzung zuständig. «Das hier ist kein Versammlungsplatz», werden die Neuhauser trotz gekauftem Getränk alsbald zum Verschwinden aufgefordert. Langsam rollt ein BMW M4 über den Parkplatz, gefolgt von einem BMW M3, die Augen der Neuhauser verfolgen das kleine Defilee.

Früher sei am Freitag jeweils mehr Betrieb gewesen, erklärt Elia, «doch in Anbetracht der Umstände hat es heute doch noch das eine oder andere schöne Auto». Die anderen Fahrer würden sie nicht kennen. «Man kommt nicht wegen der Fahrer hierhin, sondern wegen der Autos», erklärt er. Der junge Neuhauser macht aus seiner Faszination für Autos keinen Hehl. Als Automechaniker ist er aber der Einzige der Gruppe, der sich auch beruflich mit Motoren beschäftigt.

Letztes Aufheulen vor der Grenze

An diesem Freitag chauffiert er den Audi SQ5, ein Sechs-Zylinder-Geschoss mit gut 350 PS. In 5,4 Sekunden von 0 auf 100 km/h könne damit beschleunigt werden, wirbt der Hersteller auf seiner Webseite. Beim kraftvollen ­Motorengeräusch jedoch werde etwas geschummelt, gibt Elia zu. «Es ist ein Diesel, die haben nicht dieses typische Motorengeräusch», sagt er, «darum kann mit Audioverstärkern nachgeholfen werden.» Bald ist der Neuhauser Truppe klar, dass es nicht mehr viel zu sehen gibt. Per Telefon teilen sie den zurückgebliebenen Kollegen mit, dass sich die Fahrt nicht lohnt. Eine Stunde nach Ankunft machen sich die Neuhauser wieder auf den Heimweg. Auf der Autobahn wird dreimal kurz gehupt, dann heulen die Motoren noch einmal auf, bevor in der Schweiz wieder genau auf die Geschwindigkeit geachtet wird.

Tempokontrollen und Verbote am Car-Freitag: Die Strategie der Polizei ist aufgegangen

Die mit quietschenden Reifen und röhrendem Auspuff um die Kreisel im Singener Industriegebiet fahrenden Autos sind am Karfreitag ausgeblieben. Deutsche und Schweizer Polizei sorgte dafür, dass das Verbot von Treffen der Autotuning-Szene durchgesetzt wurde. 20 Uhr am Karfreitag in Singen. Auf den zweispurigen Zugangsstrassen zum OBI-Kreisel bauen Polizeibeamte Radaranlagen auf. «30 km/h – freitags von 20 bis 2 Uhr» zeigen die Schilder an. Damit will man die Raser stoppen. Vor den Zapfsäulen der Tankstelle parken die ersten mit Breitreifen und dicken Auspuffrohren aufgemotzten Autos. Drumherum gruppieren sich junge Frauen und Männer. Mehr als fünf dieser getunten Autos samt Fahrern dürfen an diesem Abend nicht an einem Ort zusammentreffen. Sonst greift das für das gesamte Osterwochenende von der Stadt verhängte Verbot. Wer es missachtet, muss 150 Euro zahlen. Wer sich weigert, den Ort zu verlassen, zahlt 350 Euro, und das Auto wird beschlagnahmt. Das wissen die jungen Leute. Die «Allgemeinverfügung» wird fotografiert und per Handy verschickt. Derweil gibt Detlef Wysotzki, Einsatzleiter der Verkehrspolizei Sigmaringen, seinen 20 Kollegen letzte Anweisungen und berichtet, dass auf der Autobahn und in der Stadt Tempokontrollen stehen. Unter den Beamten sind auch die Motorradstreifen der Verkehrspolizei Thurgau und der Verkehrsüberwachung Sigmaringen. Auf den Hondas und BMW sitzen «technikerfahrene Kollegen», wie Wysotzki sagt.«Ich kann schauen, ob mit den Fahrzeugen alles so in Ordnung ist, wie es in der Schweiz sein soll. Wenn nicht, kann ich diese aufbieten zur Nachkontrolle beim Schweizer Verkehrsamt», sagt Wachtmeister Peter Hämpli, als er mit dem deutschen Kollegen Albert Lechner am Kreisel steht. Das zeigt Wirkung. Obwohl er vorher hinter dem Rücken der Polizisten in der Gruppe laut gepöbelt hat, rollt der Honda-Fahrer mit SH-Kennzeichen eher gesittet davon. «Die Bussen in Deutschland sind für Schwei- zer zu günstig, deshalb geben diese in Deutschland mehr Gas», sagt Hämpli. Wenn er aber als Schweizer Polizist einen beim Rasen erwische oder ein übertuntes Auto entdecke, werde das teuer, notfalls werde der Fahrausweis entzogen. Gegen 22 Uhr füllt sich der Platz hinter der Tankstelle. Das Katz- und-Maus-Spiel mit der Polizei beginnt. Der Security-Mann vom Hähnchenbräter lässt einer Gruppe Teilnehmer einen Platzverweis erteilen, weil diese mit dem Energydrink aus der Tankstelle auf seinem Parkplatz stehen. Auch Oliver Wagner aus Lörrach gehört dazu und muss wegfahren. Kopfschüttelnd erzählt er, dass sie doch ihre 300-PS-Autos auf der Rennstrecke ausfahren. Hier, in Singen, zeigen sie, was sie an den Autos gemacht und wofür sie Zeit, Geld und Leidenschaft reingesteckt haben. Gegenüber schraubt eine junge Frau einen von den Beamten bemängelten, zu grossen Spoiler von ihrem Roadster ab. An die Zapfsäulen rollt eine Gruppe mit drei japanischen Autos und wird umringt. Handykameras blitzen auf. «Die Raser haben hier nichts verloren, ich fahre mit 30 und benehme mich», sagt Skyline-Fahrer Oliver Buch. Er bedauert, dass wegen der Raser die Treffen verboten werden. Gegen 23 Uhr wird es voll: Der Leiter der Verkehrspolizei, Karl-Heinz Reiter, lässt den überlaufenen Parkplatz absperren. Die Show macht aber ein Elektroauto. Ein Zürcher Informatiker führt die Flügeltüren an seinem Tesla vor. Das interessiert mehr als die getunten BMW, Audi, AMG und Nissan. Gegen Mitternacht zieht Polizeichef Reiter Bilanz: «Unsere Strategie mit starker Präsenz ist aufgegangen, wir hatten wenig Lärmbelästigungen», sagt er. Nur eines stört ihn: Ein Schweizer hat den Schweizer Beamten auf dem Motorrad angepöbelt und beleidigt. Offenbar hat er schon bei der Anfahrt beim Zoll Probleme bekommen und ist deswegen aggressiv. «Es kann nicht sein, dass man als Gast einen Schweizer Kollegen so angeht», sagt Einsatzleiter Wisotzki, der dem Pöbler 500 Euro Sicherheitsleistung abgenommen hat. Der friedliche Car-Freitag wird jetzt doch noch die deutsche und die Schweizer Justiz beschäftigen.

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