Wohnpolitik: Kleiner Schritt, grosse Probleme bleiben

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Die Mieter würden vom Bund mehr erwarten als «weiter wie bisher», ist der Genfer SP-Nationalrat und Präsident des Schweizerischen Mieterinnen- und Mieterverbands, Carlo Sommaruga, überzeugt. Bild: Key

In der Wohnpolitik ist selbst die Weiterführung der heutigen Instrumente umstritten. Die Wohn-Initiative bleibt nötiger denn je.

von Carlo Sommaruga

Der Bundesrat schlägt einen neuen Kredit zur Förderung der Wohnbaugenossenschaften vor. Das ist richtig und wichtig: Denn mehr Genossenschaftswohnungen oder Wohnungen von Gemeinden und Stiftungen helfen mit, dass die Menschen in unserem Land eine bezahlbare Wohnung finden. Doch der Kredit von 250 Millionen Franken klingt schöner, als er ist: Die Kasse zur Unterstützung der Genossenschaften ist nämlich leer, und das neue Geld reicht einzig aus, die bisherige Hilfe weiterzuführen. Was eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist, muss heute bereits erkämpft werden – die Parlamentsmehrheit ist alles andere als sicher. Bei einem Nein droht ein Totalabsturz der eidgenössischen Wohnbauförderung.

Die Mieterinnen und Mieter erwarten vom Bund mehr als «weiter wie bisher». Bei Wiedervermietungen werden die Mietzinse heute saftig erhöht, die Renditen steigen weiter, weil die Referenzzinssatzsenkungen in den ­Taschen der Vermieter bleiben, und in vielen Gebieten finden Wohnung­ssuchende keine bezahlbaren Wohnungen. Seit 2009 haben sich die Zinsen halbiert. Nach Mietrecht hätten die Mieten um Milliarden sinken sollen, pro Haushalt um rund 3000 Franken pro Jahr. Doch das Gegenteil ist eingetreten: Die ­Mieten steigen weiter an, alle Anleger wollen im Mietwohnungsmarkt eine Rendite herausholen und sich auf dem Buckel der Mieterinnen und Mieter in Zeiten mit Nullzinsen sanieren. Nur mit der verstärkten Förderung von gemeinnützigen Wohnungen von Genossenschaften, Stiftungen oder Städten wird Wohnen der Spekulation und dem Renditedruck entzogen und dafür ­gesorgt, dass nicht Millionen von Mietenden für ein existenzielles Gut zu viel bezahlen müssen, sie damit unter Druck kommen und unserer Wirtschaft Geld fehlt, weil sich viele Mieterinnen und Mieter beim Konsum einschränken müssen.

Der Bund hat die Wohnpolitik praktisch vollständig an die Kantone und Städte delegiert. Doch er könnte selber viel mehr machen: SBB-Grundstücke nicht mehr an Meistbietende verkaufen, mit raumplanerischen Instrumenten den gemeinnützigen Wohnungsbau fördern; er kann verhindern, dass bei energetischen Sanierungen die Mieten astronomisch ansteigen, oder er könnte den Gemeinden die Möglichkeit geben, ein Vorkaufsrecht auf Grundstücke einzuführen, um den Wohnbaugenossenschaften Land zur Verfügung zu stellen. Diese Massnahmen schlägt die Wohn-Initiative des Mieterverbands vor, und sie ist nach dem klein­lichen Schritt des Bundesrates nötiger denn je.

Heute wird viel von einer Entspannung des Wohnungsmarkts geschrieben. Tatsächlich gibt es mehr leere Wohnungen als noch letztes oder vorletztes Jahr. Nur – was kosten sie? Eine Auswertung der Stadt Zürich zeigt, dass eine durchschnittliche Dreizimmerwohnung 1400 Franken kostet, doch bei den leer stehenden Dreizimmerwohnungen liegt der Mietpreis bei fast 2600 Franken. Auch in vielen Agglomerationsgemeinden stehen Neubauwohnungen leer – zu Preisen von 2000 und mehr Franken. Das Wohnungsangebot mag grösser werden, bezahlbare Wohnungen für Familien, Normalverdiener dagegen bleiben Mangelware.

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