Mit der Kesb zum Aldi-Zahnarzt

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Pentti Aellig

Aellig meint ...

 

Mit einer besinnlichen Weihnachtsgeschichte wollte ich das Kolumnenjahr beenden. Immerhin hatte es das Schicksal 2016 mit unserem Kanton gut gemeint. Die Menschen an Rhein und Randen scheinen zufrieden. Einige Dörfer nehmen mit viel Elan das Projekt Naturpark in Angriff und lancieren in Zusammenarbeit mit den Naturparkwächtern des Bundes ihre Kutschenfahrten und Bauernbrote neu unter einem zusätz­lichen Label. Auf der Alp Babental ist nach dem landesweit beachteten Schweinefleischskandal wieder Ruhe eingekehrt. Und der Schaffhauser Weinjahrgang 2016 entwickelt sich vielversprechend.

Über viel Positives gäbe es 2016 zu berichten. Aber manchmal wendet sich das Leben ohne Vorwarnung vom Positiven ins Negative. Menschen benötigen plötzlich Hilfe. Normalerweise erweist sich das persönliche Umfeld von hilfsbedürftigen Menschen als fürsorgend. Aber nicht immer führt die angebotene Hilfsbereitschaft zu einer Verbesserung der Situation. Manchmal lösen sich die Grenzen zwischen Hilfsbereitschaft und Bevormundung auf. Plötzlich benötigen Hilfsbedürftige Schutz vor der Hilfe. Und damit beginnt meine aktuelle, wahre und ­etwas erstaunliche Weihnachts­geschichte.

Rosa Wanner* erblickte 1927 in einem Schaffhauser Dorf das Licht der Welt. Rosa heiratete früh. Das Ehepaar Wanner lebte mehrere Jahrzehnte lang glücklich und zufrieden in der ­Region zwischen Durach und Biber. Vor wenigen Jahren verstarb nach einem langen, reich erfüllten Leben der Gatte von Rosa Wanner. Immerhin fehlte es der zur Witwe gewordenen Schaffhauserin nicht an Vermögen. ­Finanzielle Sorgen muss sich Rosa Wanner bis zum heutigen Tage keine machen. In das definitiv viel zu grosse Haus der Witwe ist nun ein Verwandter eingezogen. Rosa Wanner, bald 90-jährig, ist zwar umgeben von Menschen, aber dennoch ist den Nachbarn auf­gefallen, dass die alte Frau immer dünner geworden ist. Sie informierten die ­Behörden, und wie in solchen Fällen üblich, schaltete sich die Kesb (Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde) ein.

Grundsätzlich kümmert sich die Kesb um Menschen, die aus verschiedenen Gründen ihre Selbstverantwortung nicht mehr oder noch nicht wahrnehmen können. Als Schutzbehörde sorgt die Kesb im Rahmen der Möglichkeiten für bessere Rahmenbedingungen ihrer Kunden. Jeder Kanton verfügt über seine eigene Kesb. Dass landesweit Fälle von eklatanten Fehlentscheidungen bekannt werden, ist bei der grossen Zahl von fürsorgerischen Entscheidungen kaum zu verhindern. Als in Flaach eine Mutter ihre beiden Kinder tötete, kam die Winterthurer Kesb monatelang ins mediale Kreuzfeuer.

Die fürsorgliche Betreuung von Rosa Wanner verläuft weitaus weniger spektakulär. Aber genau bei diesem Kesb-Mandat tritt ein nicht seltenes Problem auf. Die Kesb fällt Entscheidungen gegen den Willen von ­engen Verwandten. Im Falle von Rosa Wanner ist die Familie des Bruders nicht mit allen Entscheidungen ein­verstanden. Beispielsweise gibt es Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf eine dringend notwendige Zahn­sanierung. Der Bruder und die Schwägerin weisen die Kesb darauf hin, dass die Behandlung bei einem Zahnarzt unumgänglich ist. Die Kesb, die nun das gesamte Vermögen von Rosa ­Wanner kontrolliert, befürwortet zwar grundsätzlich den zahnärztlichen Eingriff bei ihrer Klientin. Aber in einem Punkt gehen die Meinungen auseinander. Der Bruder wünscht, dass seine Schwester von einem Schaffhauser Zahnarzt behandelt wird. Der Wunsch des Bruders ist verständlich, denn Rosa Wanner verfügt ja einerseits über ein solides Vermögen, und andererseits zieht sich ihr enger Bezug zum Kanton Schaffhausen wie ein ­roter Faden durch ihr ganzes Leben.

Die Schaffhauser Kesb hingegen sieht im Falle Rosa Wanners den Handlungsbedarf weniger dringend. Die Kesb will mit dem Vermögen der betagten Frau möglichst sparsam umgehen. Deshalb genehmigt sie den zahnärztlichen Eingriff vorerst nicht. Die Begründung ist kaum zu glauben: Zuerst will die Schaffhauser Kesb ­Offerten bei einem günstigen Zahnarzt im deutschen Gottmadingen einholen. Leider ist zu befürchten, dass sich die Kesb durchsetzen wird und Rosa Wanner in der letzten Phase ihres Lebens unser lokales Gewerbe nicht mehr unterstützen darf.

* Name geändert

Pentti Aellig ist Gemeindepräsident, Interimspräsident der SVP des Kantons Schaffhausen und Inhaber einer Agentur für digitales Marketing in Zürich.

Die An- und Einsichten unserer Kolumnisten publizieren wir gerne, weisen aber darauf hin, dass sie selbstverständlich nicht mit jenen der Redaktion übereinstimmen müssen.

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