Sexualerziehung: Eine gemeinsame Aufgabe zum Wohl des Kindes

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«Sexualität geht weit über Fortpflanzung hinaus», sagt Sozialwissenschaftlerin Nicole Hinder. Für eine Sexualerziehung, die ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht, sieht sie nicht nur Eltern, sondern auch Lehrer und Experten in der Pflicht. Bild: Key

Wie sollen Kinder aufgeklärt werden, welche Rolle haben Eltern, Lehrpersonen und Fachpersonen? Dies wurde letzte Woche an gleicher Stelle thematisiert.

Von Nicole Hinder

Die Sexualerziehung in der Schule, vermittelt durch beigezogene Experten, überfordere Kinder und Jugendliche zu früh mit zu konkreten Inhalten. Die Familie sei der wichtigste Ort für diese Aufgabe, indem Sexualaufklärung vernünftig und natürlich gelebt werde. Sie passiere automatisch durch eine enge Bindung selbst dann, wenn Sexualität nicht thematisiert werde. Diese Betrachtungsweise ist limitiert und orientiert sich stark an den Bedürfnissen der Eltern, mit diesem Thema umzugehen. Bei der Frage nach dem Zeitpunkt und der Art der Aufklärung müssen wir das Kind mit seinen Bedürfnissen und Rechten ins Zentrum rücken. Entscheidend sind unter anderem das Recht auf eine gesunde und altersgerechte Entwicklung, auf körperliche und geistige Gesundheit sowie das Recht auf Gleichbehandlung. Unsere Handlungen sollten sich am Interesse der Kinder ausrichten und zur Verwirklichung dieser Rechte beitragen.

Doch was hat das mit Aufklärung zu tun? Sexualität geht weit über den Akt der Fortpflanzung hinaus. Es geht um persönliche Grenzen, das körperliche Wohlbefinden, darum, selbstbestimmt über seinen Körper zu entscheiden. Es geht um die Auseinandersetzung mit Sexualität, Liebe und körperlicher Zuneigung und um die Einordnung der durch die Medien verbreiteten Idealvorstellung von Sexualität und Schönheit. Diese Inhalte gilt es alters- und bedürfnisgerecht zu vermitteln, bevor Kinder als Jugendliche sexuell aktiv werden. Die familiären Verhältnisse variieren stark. Die romantisierte Vorstellung einer heilen Familie, in der ein respektvoller, altersgerechter Umgang gepflegt wird, trifft nicht immer zu. Stellen Sie sich vor, ein Kind wird zu Hause sexuell missbraucht. Findet da Aufklärung im Interesse des Kindes statt? Oder ein Kind kommt durch das Familienumfeld mit pornografischem Material in Berührung. Ist dies die Art Sexualerziehung, die wir ihm wünschen?

Zudem ist Sexualität sehr intim. Gerade deshalb gibt es immer wieder Themen, die nicht unbedingt mit den Eltern oder der Lehrperson besprechen werden sollten. Der Einbezug von Fachpersonen, vom Kind her betrachtet, kann daher durchaus zielführend sein. Vom Kind her betrachtet braucht es darum unterschiedliche Personen, die sich des Themas annehmen und ihm chancengerechten Zugang zu diesen Inhalten ermöglichen. Neben den Eltern übernimmt die Schule eine wichtige Rolle. Der aktuelle Lehrplan zeigt, dass ein ganzheitlicher, am Entwicklungsstand der Kinder ausgerichteter Ansatz verfolgt wird. Kinder sollen früh über ihren Körper, ihre persönlichen Bedürfnisse und ihre Grenzen Bescheid wissen. Das Richtziel «sich abgrenzen und durchsetzen lernen» wird darum bereits auf der Kindergartenstufe erwähnt und ist bedeutend für die Prävention ­sexuellen Missbrauchs. Stetig und dem Alter entsprechend werden Aspekte wie «die Einzigartigkeit des Körpers kennen und wertschätzen», «Unterschiede der Geschlechter», «Körperteile kennen und benennen», «Grenzen setzen, lernen, Nein zu sagen, sich vor Übergriffen auf die eigene Person schützen lernen» oder «eigene Empfindungen, Gefühle, Absichten, Wünsche und Bedürfnisse ausdrücken und mitteilen» thematisiert. In der Mittel- und Oberstufe werden die Veränderungen des Körpers, ­Sexualität oder HIV behandelt. Beigezogene Experten können einem Thema mehr Bedeutung geben und auf unterschiedliche Informationsbedürfnisse der Kinder reagieren.

Die Sexualerziehung soll Kindern ein selbstbestimmtes Leben über ihren Körper und ihre Gesundheit ermöglichen. Daran haben Eltern, Lehrpersonen, Experten und nicht zuletzt die Gesellschaft gemeinsam einen Beitrag zu leisten – im Interesse und zum Wohl der Kinder.

Nicole Hinder ist Sozialwissenschaftlerin und AL-Co-Präsidentin.

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