Was im Fall Alpenblick schieflief

Zeno Geisseler | 
2 Kommentare
Informierten über die Untersuchung zu den Vorfällen und zur Kommunikation im Fall Alpenblick: Stadtrat Raphaël Rohner, Schulpräsidentin Katrin Huber und die beiden Verfasser, die Rechtsgelehrten Tobias Jaag und Markus Rüssli. Bild: Selwyn Hoffmann

Kritik gefallen lassen muss sich der Schaffhauser Stadtschulrat dafür, wie er mit Vorkommnissen im Alpenblick-Schulhaus im Zusammenhang mit zwei muslimischen Familien umgegangen ist.

Sitzung des Stadtschulrats Schaffhausen am 24. August 2016. Die meisten Traktanden sind reine Routine, doch unter Punkt 16.1 schlägt Stadtschulrätin Nathalie Zumstein Alarm: Im Schulhaus Alpenblick habe sich eine Lehrperson «sehr beunruhigt» über das Verhalten zweier muslimischer Familien geäussert. Ein Mädchen trage neu Kopftuch, die Väter würden den Handschlag verweigern, ein kleiner Junge ziele mit einem Spielzeuggewehr auf andere. Die Lehrperson wolle, dass die Behörden den Fall ernst nähmen, Stadtschulrätin Zumstein gab an, Kontakt mit der Polizei aufzunehmen und sich nach einer Fachstelle für Extremismus zu erkundigen.

Nicht geplant war, dass die Öffentlichkeit von den Vorkommnissen und den Sorgen erfährt. Doch Recherchen der SN zeigen bald das Ausmass auf. Dies auch dank Protokollen des Stadtschulrats, deren Einsichtnahme die Zeitung sich auf dem Rechtsweg erstreiten musste.

Zitate zurückgezogen

Die SN berichteten mehrere Male über den Fall, der Fokus lag dabei aber nicht auf der muslimischen Familie, sondern auf dem Verhalten des Stadtschulrats. Dieser hatte nach Ansicht der Zeitung versucht, die Wahrheit unter dem Deckel zu behalten. Schulpräsidentin Katrin Huber lehnte eine Interviewanfrage ab, Zitate wurden nachträglich zurückgezogen. Probleme mit Familien einer bestimmten Kultur und Religion gebe es nicht, hiess es.

In einem Elternbrief wurden die Erziehungsberechtigten und die Öffentlichkeit falsch informiert. Monate später sagten die Zuständigen an einer Medienkonferenz, dass es keine Anzeichen einer Radikalisierung gegeben hatte.

«Unnötige Affäre»

Darüber, was genau passiert war, herrschte in den Augen des Stadtrats Unklarheit. Er ordnete deshalb im April eine externe Abklärung der Vorkommnisse an. Gestern nun haben die mit der Untersuchung vertrauten Rechtsanwälte Tobias Jaag und Markus Rüssli von der Zürcher Anwaltskanzlei Umbricht ihre Erkenntnisse vorgestellt.

Ihr Fazit: Die Ereignisse im Schulhaus Alpenblick seien unnötigerweise zu einer Affäre geworden. Im Grundsatz habe der Stadtschulrat zwar adäquat reagiert, doch in mehreren Punkten hätte er anders handeln sollen.

Die beiden Rechtsgelehrten hoben mehrere Punkte speziell hervor. Ganz grundsätzlich, sagen sie, hätte der Stadtschulrat besser schon ganz am Anfang Stellung genommen, statt zu schweigen. Die Stadtschulpräsidentin hätte die Interviewanfrage annehmen sollen. «Damit wäre die Sache mangels Relevanz wohl erledigt gewesen», heisst es im Bericht. Die grösste Kritik aber bezieht sich auf den Elternbrief, den Stadtschulrätin Zumstein und der Vorsteher des Alpenblicks, Marco Schwaninger, am 30. September 2016 den Kindern mit nach Hause gaben: Gleichentags hatten die SN über den Fall berichtet, und die Schulrätin und der Vorsteher wollten mit dem Brief auf den Artikel in den SN reagieren. Dieser enthielt ihrer Ansicht nach Vermutungen und Unwahrheiten. Unwahrheiten enthielt aber in erster Linie der Elternbrief selbst.

«Der Elternbrief hat eine unrichtige Aussage enthalten, die so nicht hätte gemacht werden dürfen.»

Aus dem Gutachten der Anwaltskanzlei Umbricht

Darin sei «eine unrichtige Aussage enthalten gewesen, die so nicht hätte gemacht werden dürfen», heisst es im Gutachten. Konkret stand im Brief, dass es reine Routine gewesen sei, dass Stadträtin Zumstein mit der Polizei gesprochen habe. Dies habe mit derSchule Alpenblick nichts zu tun. Die Gutachter schreiben dazu: «Diese Aussage stimmt so nicht. Die Erkundigungen (...) können nicht als routinemässig bezeichnet werden, stehen sie doch in einem Zusammenhang mit den Beobachtungen, die zu den beiden Familien gemacht worden waren.» Der Brief sei «überhastet verfasst» worden, allerdings könne nicht von einer Irreführung gesprochen werden.

Insgesamt kommen die Juristen zum Schluss, «dass die Verantwortlichen nicht immer optimal reagiert haben». Dies sei aber nicht in der Absicht erfolgt, die Öffentlichkeit irrezuführen oder etwas zu verschweigen. Die Gutachter empfehlen dem Stadtschulrat in künftigen Fällen, Kommunikationsfachleute beizuziehen. Administrative oder gar strafrechtliche Konsequenzen habe der Fall hingegen keine.

Eindrücke der gestrigen Pressekonferenz sehen Sie hier: 

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Kommentare (2)

Peter Koch Fr 25.08.2017 - 11:34

Wegen "Ein Mädchen trage neu Kopftuch, die Väter würden den Handschlag verweigern, ein kleiner Junge ziele mit einem Spielzeuggewehr auf andere" macht die SN Stimmung gegen unser gut funktionierendes öffentliches Schulsystem. Muslime mit Kopftüchern und Spielzeuggewehre, die jeder Bub bei uns im Laden kaufen kann, sind wohl DAS THEMA, was gemäss SN-Einschätzung auf Seite 1 gehört.

sekretariat@schulehallau.ch Fr 25.08.2017 - 07:00

Im Artikel werden vor allem die Versäumnisse der Schule erwähnt, die unsägliche Rolle der SHN, der SVP und Robin Blancks werden geflissentlich übergangen.

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